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Vertragspaket mit der EU Keine Garantie für Schweizer Teilnahme an Forschungsprogrammen

Die Schweiz soll künftig wieder beim EU-Forschungsprogramm «Horizon» mitmachen. Doch: Das ausgehandelte Vertragspaket mit der EU gibt der Schweiz keine Garantie, dass sie bei künftigen EU-Programmen dabei ist. Jede Teilnahme an einem neuen Programm muss separat ausgehandelt werden.

Es war die Retourkutsche der EU für den Entscheid des Bundesrats, die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen abzubrechen: Vor vier Jahren hat sie der Schweiz die Teilnahme an wichtigen Kooperationsprogrammen in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation verweigert.

Jetzt soll die Schweiz wieder beim EU-Forschungsprogramm «Horizon» dabei sein dürfen. Möglich macht es ein neues Abkommen über EU-Programme. Es ist Bestandteil des ausgehandelten Vertragspakets mit der EU. Doch wer gehofft hat, dass unser Land damit ein garantiertes Eintrittsticket für alle künftigen EU-Forschungsprogramme erhält, wird enttäuscht.

Keine Garantie für die Schweiz

Das neue Abkommen enthält zwar einen allgemeinen Teil mit Bestimmungen für alle Programme, der unbefristet ist, sagt Michael Gerber, Leiter der Abteilung «Internationale Programme und Organisationen» im Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Er hat die Verhandlungen mit der EU über den Bereich Programme geleitet.

Finanzierung bis 2027 sichergestellt

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Wie viel die Schweiz für ihre Teilnahme am aktuellen EU-Forschungsrahmenprogramm «Horizon» in den Jahren 2025-2027 bezahlen muss, werde im EU-Programmabkommen (EUPA) geregelt, sagt Michael Gerber vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Bis zur Eröffnung der Vernehmlassung über das ausgehandelte Vertragspaket mit der EU seien diese Zahlen aber vertraulich.

Das Schweizer Parlament hatte für die Teilnahme am «Horizon»-Paket 2021-2027 im Dezember 2020 insgesamt 5.4 Milliarden Franken genehmigt. In den Jahren 2021-2024, in denen die Schweiz nicht am «Horizon»-Programm assoziiert war, bezahlte das SBFI rund 2.5 Milliarden Franken direkt an Forschende. Damit verblieben 2.9 Milliarden Franken, welche zur Finanzierung der Pflichtbeiträge an die EU in den Jahren 2025-2027 verwendet werden könnten, sagt Gerber: «Die Finanzierung bis Ende 2027 ist also gesichert».

Für jedes einzelne EU-Programm, an dem sich die Schweiz beteiligen möchte, brauche es aber noch ein «Protokoll» mit spezifischen Teilnahmeregeln, das separat ausgehandelt werden müsse, erläutert Gerber. Zudem sind EU-Programme immer auf sieben Jahre begrenzt – auch das aktuelle Forschungsprogramm «Horizon». Es läuft nur noch bis Ende 2027. Das bedeute, sagt Gerber: «Ende 2027 muss dieses Protokoll erneuert werden, das heisst, die Programm-Assoziierung für eine neue Generation neu ausgehandelt werden».

Die EU könnte also trotz Programmabkommen beschliessen, dass die Schweiz beim nächsten Forschungsprogramm ab 2028 nicht mehr dabei ist: «Das wäre theoretisch möglich. Es gibt keine Garantie. Für kein Land».

Bund nicht beunruhigt

Das EU-Programmabkommen (EUPA) werde die Verhandlungen über einzelne «Protokolle» erleichtern, sagt Gerber. Und die EU habe ein Interesse, die Schweiz bei den Forschungsprogrammen dabei zu haben: «Man kann davon ausgehen, dass die Schweiz diese Möglichkeit erhält. Es sei denn, es gibt irgendwelche politische Vorbehalte, Entwicklungen, die es halt mit allen Ländern geben kann».

Bis zur Volksabstimmung bleibt die Assoziierung «provisorisch»

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Mit dem Abschluss der Verhandlungen über ein ganzes Vertragspaket hat die EU eine «Übergangsregelung» aktiviert, die seit 1. Januar 2025 in Kraft ist. Forschende in der Schweiz können seither wieder in der Rolle eines Koordinators an den meisten Ausschreibungen des «Horizon»-Programms teilnehmen.

Die Schweiz behält allerdings ihren bisherigen Status als «nicht assoziiertes Drittland», bis die Abkommen im Vertragspaket mit der EU «unterzeichnet» werden. Wann dies geschieht, ist noch nicht festgelegt. Auf Anfrage von SRF erklärt das Aussendepartement EDA: «Der Bundesrat wird über die Unterzeichnung der Abkommen und die Eröffnung der Vernehmlassung vor dem Sommer entscheiden.»

Für die Forschenden bedeutet dies, dass sie bis zur «Unterzeichnung» des EU-Programmabkommens (EUPA) weiterhin direkt vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) finanziert werden.

Sobald das EUPA «unterzeichnet» ist, erhält die Schweiz rückwirkend auf den 1. Januar 2025 den Status als «provisorisch assoziiertes Drittland». Die Schweizer Forschenden werden dann aus dem Topf des EU-Forschungsprogramms «Horizon» Geld erhalten.

Eine definitive Assoziierung als Drittland erhält die Schweiz von der EU erst, sobald das EUPA «ratifiziert» ist. Dafür braucht es das grüne Licht von Parlament und Schweizer Stimmvolk zum ganzen Vertragspaket mit der EU. Sagen Parlament und Volk hingegen Nein, droht der Schweiz der Ausschluss aus den EU-Forschungsprogrammen.

Sofern sich die Schweiz mit der EU auf konkrete Programm-«Protokolle» einigen kann, würde dies aber nicht die volle Beteiligung bedeuten. Denn die EU hat 2021 eine neue Länderkategorie D eingeführt, die weniger gute Bedingungen bietet als die Kategorien A bis C. Die Schweiz ist – zusammen mit Grossbritannien – in diese Kategorie herabgestuft und damit schlechter gestellt worden als assoziierte Staaten wie zum Beispiel Aserbaidschan, Georgien, Belarus, Israel oder Syrien.

Die Kategorie D bedeute, dass sich die Schweiz an gewissen Ausschreibungen nicht beteiligen dürfe, bestätigt Michael Gerber: zum Beispiel im Bereich Quantum-Technologie oder Raumfahrt. Der Zugang zu diesen Ausschreibungen werde aber auf technischer Ebene weiterverhandelt, sagt der Abteilungsleiter im SBFI.

Das sagt die Präsidentin des Europäischen Forschungsrats

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Der Europäische Forschungsrat ist Teil des Forschungsprogramms Horizon Europe der EU. Maria Leptin, dessen Präsidentin, freut sich, dass sich Forschende aus der Schweiz nun wieder an fast allen Ausschreibungen beteiligen können: «Es wurde allerhöchste Zeit», sagt sie. Es sei wichtig, Europa als Ganzes zu sehen und dass sich alle Länder daran beteiligen würden, das Wissen zu schaffen, das Europa brauche. Für Fortschritt, Innovation, Wohlstand und mehr. Und was es dafür eben auch brauche, sei gemeinsam zu konkurrenzieren: «Forscher forschen weiter, so wie die Weltmeisterschaften weitergehen, auch wenn ein Top-Team fehlt», sagt Leptin. Dass die Schweiz da aber nicht mehr dabei war, habe man gemerkt.

Sie ist voller Hoffnung, dass die Unterzeichnung nur noch eine Formalität ist, und erfolgreiche Anträge dann auch Geld von der EU erhalten können. Definitiv assoziiert ist die Schweiz aber erst, sobald das EU-Programmabkommen ratifiziert ist. Dass die Schweiz damit dann aber noch keine Garantie für die Teilnahme an zukünftigen Programmen hat, relativiert Maria Leptin: «Eine Garantie gibt es nie, auch das Weiterbestehen des Forschungsprogramms ist nicht garantiert.» So müsse alle sieben Jahre wieder bestimmt werden, wo es hingehen soll. Diskutiert werde aber bereits darüber und im Verlaufe dieses Jahres soll das neue Paket ab 2028 von der Europäischen Kommission vorgelegt werden. Maria Leptin hofft, dass das Budget für die nächste Runde sogar noch erhöht wird.

Rendez-vous, 24.1.25, 12:30 Uhr

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