Die Coronapandemie dauert seit Monaten an, der Ausnahmezustand wurde zum Dauerzustand. Die Meinungen zu den Massnahmen, welche die Kantone und der Bund treffen, gehen auseinander. Aber wieso fällt es den Menschen teils so schwer, die Massnahmen und vor allem die Empfehlungen einzuhalten? Und woher kommt das Misstrauen?
Die Pandemie stellt für die Menschen weltweit eine vollkommen neue Situation dar. Beinahe täglich erfahren wir von neuen Empfehlungen und Massnahmen. Dabei dürfe man nicht vergessen, dass die Pandemie auch für die Behörden alles andere als gewöhnlich sei, sagt der Psychologe Dieter Sträuli.
Diese müssten ihre Massnahmen täglich revidieren, um die Menschen zu schützen, was das Misstrauen begünstige. «Natürlich ist es einfach, den Bundesrat nachträglich zu kritisieren, weil er ständig Anpassungen trifft, aber das ist das Richtige.»
Auch auf kritische Stimmen muss man hören.
Umgekehrt wollten die Menschen wissen, was Sache ist. Das könnte man ihnen aber nur sagen, wenn man den Verlauf der Pandemie voraussagen könnte, was man nicht kann. Es gelte daher, den Expertinnen und Experten zu vertrauen, was nicht immer einfach falle. Denn von den Menschen würden Änderungen verlangt, die tief in deren Alltag eingreifen. Zudem gingen Stimmen von Fachleuten, zum Beispiel Ärzten, zum Teil auseinander. «Aber auch auf kritische Stimmen muss man hören», so Sträuli.
Gruppendruck beeinflusst das Verhalten
Auch psychologische Gründe bestimmen mit bei der Einhaltung der Massnahmen, wie eine Studie von Ranas, dem Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs Eawag und der ETH zeigt. «Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Schweizerinnen und Schweizer sich stark daran orientieren, wie sich die andern verhalten. Das Gefühl der sozialen Norm spielt also eine Rolle», wie der Umweltwissenschaftler Max Friedrich von Ranas erklärt.
Die Schweizer orientieren sich stark am Verhalten anderer.
Waschen die anderen sich die Hände? Halten sie Abstand? Isolieren sie sich? Den Menschen falle das Einhalten der Massnahmen also schwer, wenn sie nicht ausreichend das Gefühl haben, dass alle um sie herum diese auch einhalten.
Ein weiterer psychologischer Aspekt sei die Hilflosigkeit. Wer das Gefühl hat, er oder sie könne die Verhaltensempfehlungen wie Händewaschen oder das Einhalten des Abstands nicht umsetzen, versucht es oft gar nicht erst. Hier kommt das Selbstmanagement zum Zug: «Wer sich der eigenen Absichten sehr bewusst ist, kriegt das im Alltag auch besser hin», so Friedrich.
«Coronagerechte» Vorausplanung
Friedrich empfiehlt, sich den Alltag «coronagerecht» vorauszuplanen: Man könne beispielsweise Desinfektionsmittel, Masken und Taschentücher neben den Hausschlüssel legen und somit vorbereitet sein.
Auch sei es hilfreich, sich das eigene Verhalten in bestimmten Situationen zu überlegen, beispielsweise das Händeschütteln. «Wenn man sich im Voraus überlegt, wie man reagieren will, kann man den Plan abrufen und sich dementsprechend verhalten.» Dies müsse jedoch jeder für sich machen und sich durch die eigene Planung unterstützen.
Richtige Kommunikation und Eigeninitiative
Ansätze, wie die Menschen die Massnahmen langfristig akzeptieren und einhalten werden, gibt es also mehrere. Für den Psychologen Dieter Sträuli sind die magischen Worte Kommunikation, Information und Erklären.
Für Max Friedrich sind die sozialen Normen und die richtigen Botschaften zentral: «Man soll den Menschen zeigen, was von ihnen erwartet wird.» Der unklare Verlauf der Pandemie fordert jedoch in jedem Falle Eigeninitiative und persönliche Strategien, um sich langfristig an die Verhaltensempfehlungen und -regeln zu halten.