Chlorothalonil – 30 Tonnen des Fungizid-Wirkstoffs versprühen Bauern jedes Jahr auf ihren Feldern. Seit den 1970er Jahren ist der Wirkstoff im Kampf gegen Pilzbefall vor allem bei Getreide-, Gemüse-, oder Weinbau zugelassen. Doch die Zulassung wankt.
Das Pestizid wurde in den letzten Monaten an verschiedenen Orten in der Schweiz im Trink- und Grundwasser nachgewiesen. Die Höchstwerte gemäss Trinkwasserverordnung wurden teils deutlich überschritten. Zuvor stufte ein Expertenbericht der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA Chlorothalonil als krebserregende Substanz ein. Die EU reagierte: Im April hat sie die Zulassung für das sogenannte Fungizid entzogen.
Schweiz versprach Verbot
Kurz nachdem die Kantonschemiker auf die teils zu hohen Werte im Trinkwasser aufmerksam gemacht hatten, reagierte auch die Schweiz. Landwirtschaftsminister Guy Parmelin versprach im «10vor10»-Interview im Juni: «Bis im Oktober kommt bei uns ein Verbot.»
Doch nun zeigt sich: Das zuständige Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), welches als Zulassungsbehörde fungiert, hat das Produkt noch nicht verboten. Das Verfahren läuft noch immer. Der Grund: Das BLW muss den Herstellern bei einem Widerruf die Möglichkeit zur Stellungnahme bieten. Von diesem Recht machten die Produkt-Hersteller Gebrauch und reichten neue Informationen und Daten rund um Chlorothalonil ein.
Die Prüfung sei noch im Gang, bestätigte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit, welche die Risikoanalyse durchführt, gegenüber SRF. Das BLW schreibt: «Die Informationen der Hersteller werden zurzeit vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit evaluiert. Ein definitiver Entscheid über den Widerruf für diese Substanz wird bis Ende Jahr vorliegen.»
Wasserversorger sind verärgert
Für Paul Sicher vom schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches ist das unverständlich. «Wir mussten sicher 20 Grundwasserfassungen temporär oder für längere Zeit schliessen. Solche Sofortmassnahmen sind wichtig. Dass man das Pestizid aber nach wie vor kaufen kann ist frustrierend. Man kann nicht oben Gift nachschütten und unten müssen wir es wieder rausnehmen.»
Sicher fordert ein sofortiges Verbot und appelliert nach Bern: «Wir erwarten, dass die Pestizid-Zulassungen angepasst werden. Wir alle sind interessiert an sauberem Trinkwasser.»
Verfahren kann noch Monate dauern
Dass das BLW zusammen mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit die neuen Informationen der Hersteller eingehend prüft, sei gesetzlich vorgesehen und auch völlig normal, sagt Toxikologe Daniel Dietrich. Der Professor der Universität Konstanz bezweifelt allerdings, dass dieses Verfahren bis Ende Jahr abgeschlossen sein wird: «Je nach Grösse der Daten, die von den Produzenten eingereicht wurden, kann das Prüfverfahren noch Monate dauern».
Im äussersten Fall wäre gar eine Neubeurteilung der Gefährlichkeit möglich, was dazu führen könnte, dass das Pestizid in der Schweiz gar nicht verboten würde, so der Experte. Unabhängig davon steht es den Herstellern von Chorothalonil – wie zum Beispiel der Syngenta – offen, gegen eine allfällige Verbotsverfügung des Bundes Rekurs einzulegen. Ein solches Rechtsverfahren könnte ein Verbot noch weiter hinauszögern.