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Veto gegen Sammelklagen Warum der Nationalrat nicht will, was Konsumentenschützer fordern

Die bürgerliche Ratsmehrheit will gar nicht erst auf die Vorlage eintreten. Die Konsumentenschützer kämpfen vergeblich.

Wollen in der Schweiz mehrere Personen wegen der gleichen Sache Klage einreichen, müssen sie dies heute grundsätzlich separat tun. Das Parlament hat deshalb den Bundesrat beauftragt, eine Vorlage für eine Art «Sammelklage» auszuarbeiten.

Doch jetzt, wo der Nationalrat als erste Kammer den Bundesratsentwurf debattierte, gab es plötzlich heftigen Widerstand gegen das Gesetzesprojekt: Am Ende entschied sich eine Mehrheit im Rat dafür, gar nicht erst auf die Vorlage einzutreten.

Gegner warnen vor «Klageindustrie»

Mit eindringlichen Worten warnte der Sprecher der Rechtskommission des Nationalrats vor der Einführung einer «Sammelklage» im schweizerischen Recht. «Der Vorschlag, den der Bundesrat hier macht, ist nicht nur problematisch. Er ist im schweizerischen Rechtssystem auch gefährlich», sagte Philipp Matthias Bregy, Nationalrat der Mitte-Fraktion.

Diese Klagen zielen nicht immer auf eine gerechte Lösung, sondern auf mediale Aufmerksamkeit und teure Vergleiche.
Autor: Philipp Matthias Bregy Nationalrat (Mitte/VS)

Nicht die Konsumentinnen und Konsumenten würden von einer «Sammelklage» profitieren, zeige die Erfahrung aus dem Ausland, so Bregy. In den USA und auch in europäischen Ländern sei eine regelrechte «Klageindustrie» entstanden: «Mit dabei sind spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien und Unternehmen, die die Prozesse finanzieren.»

Als zum Beispiel in Portugal die Möglichkeit einer «Sammelklage» eingeführt worden sei, hätten die Klagen um das Dreissigfache zugenommen, mahnte der Sprecher der Rechtskommission. Komme dazu: «Diese Klagen zielen nicht immer auf eine gerechte Lösung, sondern häufig auf mediale Aufmerksamkeit und teure Vergleiche.»

Befürworterinnen: «Massive Lücke bei Rechtsdurchsetzung»

Die Mehrheit der Rechtskommission beantragte deshalb dem Nationalrat, gar nicht auf die Vorlage einzutreten. Da werde mit falschen Argumenten operiert, hielt die grüne Nationalrätin Sophie Michaud Gigon im Namen der Minderheit entgegen: «Es ist eine falsche Drohkulisse, dass unser Recht mit dieser Vorlage amerikanisiert würde. Realität ist das Gegenteil: Es existiert eine massive Lücke bei der Durchsetzung des Rechts für uns Schweizerinnen und Schweizer.»

Im Kern ist die Frage, auf welcher Seite man stehen will: auf der Seite der Konsumentinnen und Konsumenten oder auf derjenigen der Konzerne?
Autor: Min Li Marti Nationalrätin (SP/ZH)

Es gehe um einen Grundsatzentscheid, ergänzte Min Li Marti, Nationalrätin der SP: «Im Kern ist die Frage, auf welcher Seite man stehen will: auf der Seite der Konsumentinnen und Konsumenten oder auf derjenigen der Konzerne?»

Die Vorlage habe nichts mit den USA zu tun, betonte Marti. Die Mehrheit der Rechtskommission habe mithilfe der Wirtschaftsverbände ein «faktenfernes Schreckgespenst» mit Erzählungen von Sammelklagen aufgebaut. Man tue so, als würden «windige Anwälte Leute ausfindig machen wollen, die ihren Hund in der Mikrowelle getrocknet haben und dann eine Sammelklage machen wollen.»

Der «Hund in der Mikrowelle» sorgte zwar für Lacher, änderte aber nichts am Ausgang: SVP, FDP und Mitte entschieden sich mehrheitlich dafür, die Vorlage im Papierkorb zu entsorgen. Nun liegt der Ball beim Ständerat.

Echo der Zeit, 17.03.2025, 18:00 Uhr;schn

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