Wie weiter mit der Schweizer Landwirtschaft? In Richtung mehr Ökologie – wenn es nach Bundesrat Guy Parmelin und dessen Plänen für die Agrarpolitik ab 2022 geht, die er letzte Woche vorgestellt hat. Die Stichworte der AP22+ sind: weniger Pestizide, mehr Biodiversität.
Es steht aber noch mehr in den Vorschlägen des Bundesrats. Zum ersten Mal sind darin auch sozialpolitische Massnahmen enthalten, die die Situation der Partnerinnen oder Partner, die auf dem Hof mitarbeiten, verbessern sollen. In den meisten Fällen sind das die Bäuerinnen. Sie sind heute oft sehr schlecht bis gar nicht abgesichert.
Viele verdienen nichts
Auf dem Feld, mit den Tieren, im Stall, im Haushalt, bei der Kindererziehung – das Arbeitspensum einer Bäuerin sei enorm hoch, sagt Anne Challandes, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes (SBLV).
Doch verdienen würden sehr viele von ihnen gar nichts: «Sie arbeiten, aber weil sie keine Entlöhnung haben, gelten sie als nicht erwerbstätig.» Das sei ein Problem – auch was die Anerkennung der Arbeit betreffe.
Das gilt laut dem SBLV für weit über die Hälfte der Bäuerinnen – rund 70 Prozent oder rund 30'000 Frauen. Die Folge sind Lücken im Sozialversicherungs-System. Bei Krankheit, Invalidität, dem Tod des Mannes oder bei einer Scheidung stehen sie oft mit leeren Händen da.
Da lassen die Vorschläge in der Agrarpolitik ab 2022 plus (AP22+) aufhorchen: Neu soll der Erwerbsausfall bei Krankheit oder Unfall versichert werden, damit man zum Beispiel im Notfall jemanden zur Überbrückung anstellen könnte.
Und auch für den Todesfall oder bei Invalidität braucht es in Zukunft eine Versicherung. Betriebe müssen dafür einen Nachweis erbringen, um weiterhin Direktzahlungen zu erhalten.
Es macht grundsätzlich Sinn, dass alle Leute auf einem Betrieb gegen diese grossen Risiken abgesichert werden.
Endlich werde versucht, die Situation der Frauen auf dem Bauernhof zu verbessern, sagt Challandes: «Es ist eine Minimallösung, ein Schritt in die richtige Richtung.»
Auch der Schweizer Bauernverband (SBV) stellt sich dahinter. «Es macht grundsätzlich Sinn, dass alle Leute auf einem Betrieb gegen diese grossen Risiken abgesichert werden», sagt Präsident Markus Ritter.
Der finanzielle Aufwand dazu betrage maximal 1700 Franken pro Jahr und Betrieb, rechnet der Präsident des Bauernverbands, Markus Ritter, vor. Das sei umsetzbar und könne auch von der Landwirtschaft mitgetragen werden.
Und doch ist es ein Kompromiss. Denn ursprünglich hatten die Bäuerinnen mehr gefordert. Wichtige Fragen würden nach wie vor ausgeklammert, sagt Challandes. Zum Beispiel ein Einkommen für Bäuerinnen, weil damit die eigene AHV, die zweite und die dritte Säule verbunden sind – und auch die Mutterschaftsversicherung.
Bauernverband gegen festen Lohn
Die Lösung wäre, wenn sich Bäuerinnen anstellen liessen oder selbstständig machen würden. Auf rund einem Drittel der Bauernhöfe habe man bereits eine solche Lösung gefunden, sagt Challandes.
Aber eben: nur freiwillig. Denn einen gesetzlich vorgeschriebenen Lohn für die Bäuerinnen lehnt der Bauernverband nach wie vor ab. Das sei kaum umsetzbar, weil einen Lohn viele, vor allem kleinere Bauernbetriebe schlicht und einfach nicht finanzieren könnten.
Echo der Zeit, 17.02.2020, 18:00 Uhr