Im Kanton Graubünden leben immer mehr Wölfe. Aber wie stark setzen Grossraubtiere den Landwirtschaftsbetrieben zu? Mit einer Onlineumfrage wollte die Bündner Regierung dies herausfinden. Das Fazit: Man will die Land- und Alpwirtschaft nicht aufgeben. Das Bewirtschaften von Kulturlandschaft sei ein wichtiges Kulturgut und zudem eine wichtige Einkommensgrundlage.
Anders gesagt: Die Präsenz des Wolfs nimmt zu, doch vertreiben lassen wollen sich die Betriebe nicht. Es soll vielmehr ein Anpassen an die Gegebenheiten sein, heisst es in der Auswertung des Berichts.
Schaf- und Ziegenhaltung besonders betroffen
Laut eigenen Angaben sind im Kanton Graubünden drei Viertel aller Betriebe von Grossraubtieren – hauptsächlich Wölfen – betroffen. Auf der Alp werden oftmals Nutztiere wie Schafe oder Ziegen angegriffen oder gar gerissen.
In urbaneren Gebieten, wo meistens die Heimbetriebe der Bäuerinnen und Bauern liegen, melden diese Sichtungen und auffälliges Verhalten von Tieren. Schaf- und Ziegenhaltung ist gemäss Bericht des Kantons besonders betroffen. Diese Tiere werden auffallend weniger gehalten und im Sommer weniger auf die Alp gebracht.
In Nordbünden oder in der Surselva, wo schon länger Wolfsrudel leben, ging die Haltung von Schafen um etwa 15 Prozent zurück. Das betreffe vor allem kleinere Betriebe, sagt der zuständige Regierungsrat Marcus Caduff: «Bei kleinere Beständen ist der Aufwand betreffend Herdenschutz verhältnismässig schnell zu gross. Da überlegt sich einer schnell, den Betrieb aufzugeben.»
Sich der Herausforderung stellen
Weniger Tiere zu halten oder ganz auf die Sömmerung zu verzichten, komme für die allermeisten Bäuerinnen und Bauern aber nicht infrage. Die Umfrage zeige die Anpassungsfähigkeit der Landwirte: Schafe und Ziegen werden nicht mehr frei, sondern eingezäunt gehalten. Oder die Halter holen die Tiere nachts in den Stall. Man stelle sich den Herausforderungen, indem man eben die Produktion oder Abläufe umstellt, in den Herdenschutz investiert oder die Beweidung der Alpen neu organisiert.
Der Alpsommer könnte trotz alledem immer öfter infrage gestellt werden, wenn die Wolfspopulation immer mehr zunimmt. Laut Peter Küchler, dem Direktor des landwirtschaftlichen Ausbildungszentrums Plantahof in Landquart, stosse auch der Herdenschutz immer mehr an seine Grenzen. Aktuell leben zwölf Rudel im Kanton.
Trotz der Herausforderungen durch die Wolfspräsenz ist die allgemeine Stimmung gemäss der Umfrage in der Bündner Land- und Alpwirtschaft positiv: Weit über 90 Prozent der Landwirte und Älplerinnen gab an, dass ihnen die Arbeit Freude mache. Aber: Mehr als 80 Prozent gaben auch an, Sorgen um die Zukunft zu haben.
Wolf vertreibt auch Personal
Hinzu kommen Mehraufwände und Ängste, sagt Daniel Buschauer, Leiter des Amtes für Landwirtschaft und Geoinformation, zur Nachrichtenagentur «Keystone-SDA». Ein Drittel des Personals auf den Bündner Alpen kommt heuer nicht wieder. Ein triftiger Grund sei dabei der Mehraufwand aufgrund der Rissgefahr durch die Grossraubtiere und Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Wolf.
Die grösste Herausforderung der Alpbetriebe bleibe jedoch Klimawandel. In den letzten fünf Jahren hätten die Betreiber massiv in die Infrastruktur der Wasserversorgung investieren müssen, so Buschauer.