Am rechten Thunerseeufer gibt es rund 900 Zweitwohnungen, viele mit exklusiver Sicht auf den Niesen. Was Feriengäste freut, sorgt bei Einheimischen für Ärger. Denn nur ein Sechstel aller Zweitwohnungen werden an Dritte vermietet. Im Durchschnitt bleiben die Betten an mehr als 300 Nächten kalt.
Das Problem: Leere Ferienwohnungen bringen dem ortsansässigen Gewerbe kaum Einnahmen, verschlossene Fensterläden trüben das Dorfbild. Würden diese Wohnungen an Dritte vermietet, gäbe es also hohe Gewinne zu erzielen. Aber weshalb wollen die Besitzerinnen und Besitzer der Zweitwohnungen ihre leeren Räume nicht füllen?
Rundum-sorglos-Paket steigert Vermietungen
2019 ergab eine Umfrage der Universität Luzern: 15 Prozent der Zweitwohnungsbesitzenden in Sigriswil wären zu einer Vermietung an Dritte bereit, wenn die anfallenden Aufwände – Buchung, Gästebetreuung, Putzen, Abrechnen – von einem professionellen Dienstleister abgenommen würden.
Heute vermieten 20 Zweitwohnungsbesitzer ihre Logements über einen neu geschaffenen Vermietungsdienst und erzielen so insgesamt 375'000 Franken Mieteinnahmen.
Das ist aber erst die Spitze des Eisbergs. Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft, «es gibt noch Luft gegen oben» sagt Initiatorin Edith Graf von Sigriswil Tourismus und hofft, dass die finanziellen Vorteile zusätzliche Ferienwohnungsbesitzerinnen animiert, bei der Offensive mitzumachen.
Zweitwohnung: zweites Zuhause oder Einnahmequelle?
Für Sammler Peter Zbinden ist die private Ferienwohnung sein zweites Zuhause. Eine Vermietung an Dritte kommt für ihn nicht infrage: «Ich habe hier meine Bibliothek und insbesondere die Markensammlung meiner Grossmutter. Ich möchte nicht, dass hier auch noch andere Leute herumstöbern.»
Anna Ammacher-Hopper von der Universität Luzern kennt noch einen weiteren Grund, weshalb in der ganzen Schweiz viele Zweitwohnungsbesitzende ihre Bijous nicht an Dritte vermieten: «Viele Zweitwohnungsbesitzende sind nicht auf Mieteinnahmen angewiesen. Für sie besteht keine finanzielle Notwendigkeit einer Vermietung.»
Viele Zweitwohnungsbesitzende sind nicht auf Mieteinnahmen angewiesen.
Allerdings würden von einer Vermietung nicht nur die Besitzerinnen und Besitzer der Wohnung selbst finanziell profitieren. Warme Betten helfen auch der jeweiligen Gemeinde, sagt Initiatorin Edith Graf von Sigriswil Tourismus: «Wir haben lieber warme Betten, weil kalte Bette niemandem etwas bringen. In ein Haus, das genutzt wird, wird auch investiert. Es wird renoviert, es wird gepflegt und wenn es einfach nur leer steht, fliegen sie irgendwann auch aus der Mode.» Das Dorfbild leide, das Dorfleben auch.
Angenehmer Nebeneffekt der Offensive
Die Sigriswiler Offensive für eine bessere Auslastung von Zweitwohnungen hat für die Gemeinde bereits einen unerwarteten und positiven Effekt. Beim Abgleich von Wohnungs- und Personenregister wurden 72 Schummlerinnen und Schummler entdeckt. Sie hatten ihre Ferienwohnung zu Unrecht als Erstwohnung deklariert. Ab sofort sind sie kurtaxenpflichtig und dies bringt der Gemeinde jährlich 16'000 Franken Mehreinnahmen ein.
Für Anna Ammacher-Hoppler ist dies der Beweis, dass es sich für Gemeinden lohnt, bei den Zweitwohnungen aktiv zu werden und genau hinzuschauen: «Die zusätzlichen Einnahmen ermöglichen den Gemeinden Handlungsspielraum für ihre touristische Entwicklung.» Und dies sei ganz im Sinne einer Erwärmung der kalten Betten.