Folter, Krieg oder eine traumatische Flucht. Menschen, die in die Schweiz geflüchtet sind, haben oftmals schlimme Dinge erlebt, die ihren Alltag einschränken. Sie können nicht mehr gut schlafen, haben Mühe, sich zu konzentrieren oder leiden gar unter Depressionen oder Angststörungen. Fast jeder zweite Geflüchtete leidet gemäss einer Schweizer Studie an einer psychischen Erkrankung.
Sie sind angewiesen auf psychologische Unterstützung. Doch bei den Anlaufstellen fehlt es an Plätzen. Beim Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer des Zürcher Universitätsspitals beträgt die Wartezeit für ein Erstgespräch derzeit zwischen 9 und 12 Monaten. «Es dauert zu lange», sagt Naser Morina, Co-Leiter des Ambulatoriums.
Um schneller Unterstützung anbieten zu können, haben er und sein Team deshalb einen neuen Ansatz entwickelt. Nicht ausgebildete Psychiaterinnen und Psychologen therapieren die Geflüchteten, sondern Laien. «Diese Laien werden so ausgebildet, dass sie Betroffenen Strategien auf eine ganz einfache Art und Weise beibringen können», führt Morina aus. So würden beispielsweise Atemübungen mit den Betroffenen durchgeführt.
Angebot zur Überbrückung
100 Personen hat das Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer bereits trainiert. Eine von ihnen ist Bahare Iravani. Sie ist im Iran geboren, lebt seit 20 Jahren in der Schweiz. Iravani arbeitet als Stationsleiterin in der Pflege eines Spitals. Und betreut seit einem Jahr Geflüchtete.
Ich zeige ihnen auf, was sie tun können, dass ihre seelischen Wunden schneller heilen oder etwas weniger schmerzen.
Sie sieht sich als Überbrückerin für die Zeit, bis die Menschen professionelle Hilfe bekommen. «Ich zeige ihnen auf, was sie tun können, dass ihre seelischen Wunden schneller heilen oder etwas weniger schmerzen», erklärt Bahare Irvani. Für ihre Aufgabe hat sie eine achttägige Ausbildung durchlaufen und Unterlagen erhalten.
Eine Therapie bei einer Psychiaterin könne dieses Programm keinesfalls ersetzen, betont Naser Morina, der Leiter des Ambulatoriums. Aber diese Interventionen zeigten durchaus Wirkung. «Der Stress der Betroffenen nimmt ab. Ausserdem können sie sich besser in der Schweiz integrieren», so Morina.
Grosses Interesse der UNO-Flüchtlingshilfe
Ähnliche Programme gibt es zwar in verschiedenen anderen Ländern – in der Türkei, im Libanon, in Holland oder Schweden. Doch nirgends würden diese Interventionen so breit angewendet wie in der Schweiz, führt Naser Morina aus. «Normalerweise wird das Programm in einer einzigen Sprache durchgeführt. Bei uns wird es in elf verschiedenen Sprachen angeboten.»
Das Projekt weckt denn auch das Interesse der UNO-Flüchtlingshilfe. Der UNHCR-Beauftragte Peter Ventevogel verspricht sich viel von solchen Ansätzen, bei denen Laien ausgebildet werden. «Laien mit simplen psychologischen Techniken auszustatten, die sie anderen weitergeben können, ist eine sehr wirksame Methode.»
Das UNHCR und auch die Weltgesundheitsorganisation beobachten darum das Projekt aus Zürich. Um Lehren zu ziehen für andere Programme, bei denen Laien eine erste psychologische Beratung anbieten.