Nicht-Eingeweihte, die am Luzerner «Drop-In» vorbeigehen, können kaum ahnen, dass im Erdgeschoss dieses unauffälligen, weissen Blocks Heroin abgegeben wird. Einzig eine Überwachungskamera, die auf den Eingang an der Bruchstrasse 29A gerichtet ist, könnte ein Hinweis darauf sein. Die Anwohnerinnen und Anwohner stören sich denn auch nicht an der Drogenabgabestelle mitten in ihrem Wohnquartier. «Wir haben selten Reklamationen», sagt die Stellenleiterin Erika Lötscher.
Alle Drogenabhängigen wurden in einen Topf geworfen. Sie galten als kriminell und gefährlich.
Das war nicht immer so: Als das «Drop-In» im Juni 1992 eröffnet wurde, begegnete ihm die Bevölkerung mit grosser Skepsis. Und dies, obwohl damals ausschliesslich Methadon und saubere Spitzen abgegeben wurden – noch kein Heroin. Lötscher, die seit Beginn dabei ist, erinnert sich: «Die Leute hatten Angst. Alle Drogenabhängigen wurden in einen Topf geworfen. Sie galten als kriminell und gefährlich.»
Offene Drogenszene in der Eisengasse
Dass jedoch Handlungsbedarf bestand, darüber waren sich die meisten einig. Zu Beginn der 1990er-Jahre hatte sich in Luzern eine offene Drogenszene entwickelt. Nicht so dramatisch zwar wie am Zürcher Platzspitz, doch auch in der Zentralschweiz waren die Zustände unhaltbar. Gedealt wurde vorwiegend in der Eisengasse, mitten in der Altstadt. Konsumiert haben viele dann ein paar hundert Meter weiter «Unter der Egg». Bei diesen Arkaden an der Reuss gingen viele Drogensüchtige auch anschaffen.
In einem Fernsehbericht aus dem Jahr 1993 heisst es, dass die Szene auch besonders junge Menschen anlockte. Ein Drogensüchtiger erzählte: «Es gibt teilweise 12-Jährige, die auf der Suche nach Sugar sind.» Verbreitet war damals, das Heroin zu rauchen, was eine tiefere Hürde für den Einstieg war als das Spritzen.
Problem immer wieder aufgeflackert
Im Sommer 1993 löste die Stadtpolizei Luzern die offene Drogenszene auf. Süchtige waren danach darauf angewiesen, dass sie sich an Stellen wie das «Drop-In» wenden konnten. «Das Projekt war enorm wichtig», sagt Leiterin Erika Lötscher. «Wir konnten so die Abhängigen einerseits mit Methadon behandeln, andererseits waren auch Fachkräfte für die Pflege, fürs Medizinische und die Sozialarbeit vor Ort.»
Seit der Auflösung der Drogenszene in der Eisengasse ist das Problem in Luzern immer wieder aufgeflackert. So wurde um die Jahrtausendwende das Vögeligärtli, ein Park in der Nähe des Bahnhofs, zum Umschlagplatz. Ausmasse, wie in den 90er-Jahren, kennt man jedoch nicht mehr.
Drogenkonsum verlagert sich
Das «Drop-In» hat sich mittlerweile etabliert und die Hilfe für Drogensüchtige sei sogar ausgebaut worden, sagt Erika Lötscher. «Man hat Wohn- und Arbeitsangebote geschaffen für Randständige. In der Stadt Luzern sind wir sehr gut aufgestellt.» Einzig das psychiatrische Angebot könne man noch ausbauen, da warte man teilweise lange, um Hilfe zu bekommen.
Doch nicht nur das Angebot für Randständige, sondern auch die Drogenszene selbst habe sich verändert. «Es gibt vermutlich weniger Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger, die Heroin konsumieren. Die Jungen nehmen eher Designer- und Partydrogen.» Die Situation sei komplexer geworden und darauf wolle sich das «Drop-In» einstellen.