Die grossen Klimastreiks. Ein Grün-Rutsch bei den nationalen Wahlen. Und jetzt das: Die Stimmbevölkerung verwirft das CO2-Gesetz. Es ist ein Debakel für eine deutliche Mehrheit im Parlament, die jahrelang am Gesetz feilte und der Überzeugung war, man habe nun die richtigen, griffigen und mehrheitsfähigen Instrumente gefunden.
Mittelstand fühlte sich bedroht
Schon die repräsentativen Umfragen im Vorfeld dieser gewichtigen Abstimmung zeigten: Der klassische Schweizer Mittelstand fühlte sich bedroht. Wenn sich der Mittelstand vor höheren Kosten fürchtet, besonders jetzt in einer Wirtschaftskrise, lässt sich eine Abstimmung nicht gewinnen.
Viele Mitte-Wählende, noch mehr an der FDP-Basis und eine Mehrheit der Parteiunabhängigen hatten Angst vor steigenden Benzinpreisen und teurerem Heizöl, und sie störten sich am Umverteilungsmechanismus im Gesetz.
Die Kampagne der Gegner war laut und vor allem sehr klar. Autofahren nur noch für Reiche. Tausend Franken Mehrkosten für eine Mittelstandsfamilie. Eindringliche Botschaften, auch wenn sie im Detail nicht immer ganz richtig waren. Die Kostenfrage war am Schluss auch eine Glaubensfrage.
Die Fehler der Befürworter
Der grosse Kreis der Befürworter – von den Grünen bis zur FDP, von Economiesuisse bis zum Bauernverband – hat es verpasst, sich richtig auf diese Portemonnaie-Diskussion einzulassen. Dass man mit dem CO2-Gesetz Ja zu mehr Klimaschutz sage, das reicht einfach nicht, um eine Volksabstimmung zu gewinnen. Die Kampagne der Gegner blieb abstrakt und distanziert.
Ein Fehler war aus Sicht der Befürworter wohl auch, der FDP den Lead in der Kampagne zu geben. Ausgerechnet der Partei, deren Basis bis zum Schluss völlig gespalten blieb.
Die FDP war ständig in der Defensive und musste – gerichtet an die eigene Basis – vor allem erklären, dass es sich nicht um ein «linkes Verbotsgesetz» handle.
Wenig Leidenschaft bei Befürwortern
Grüne und SP engagierten sich eher zurückhaltend. Die Grünen waren vor allem damit beschäftigt, Kritiker in den eigenen Reihen in Schach zu halten, die fanden, das Gesetz gehe viel zu wenig weit.
Das CO2-Gesetz war eigentlich ein klassischer Schweizer Kompromiss, mit dem Linke und viele Bürgerliche im Parlament leben konnten. Aber für einen Kompromiss engagiert sich halt auch niemand leidenschaftlich, das führte der Abstimmungskampf deutlich vor Augen.
Wie die Klimaziele erreichen?
Wie es nun weitergeht, ist ziemlich unklar. Die Schweiz wird mit dem geltenden CO2-Gesetz die Klimaschutzziele, zu denen sie sich in Paris verpflichtet hat, wohl verfehlen. Das Risiko besteht, dass die Schweiz später mit noch grösserem Aufwand und noch höheren Kosten strengere Massnahmen einführen muss.
Ohne die Flugticketabgabe steht auch weniger Geld zur Verfügung, das zum Beispiel in Ladestationen für Elektroautos oder in die Sanierung von Gebäuden investiert werden kann. Das Nein trifft ganz konkret auch energieintensive Unternehmen, die sich nur noch bis Ende Jahr von der CO2-Abgabe befreien lassen können. Hier braucht es wohl eine Übergangsregelung.
Alles ohne neue Verbote und Steuern?
Wie ein verstärkter Klimaschutz trotz Nein aussehen kann, haben die Gegner im Abstimmungskampf skizziert: Es muss mehr über die Technologie geschehen, über freiwillige Ansätze der Branchen, zum Beispiel der Luftfahrt.
Die meisten Gegner sagen auch heute: Klimaschutz ist wichtig, aber nicht so. Mit mehr Steuern und staatlicher Umverteilung schade man der Bevölkerung und erreiche wenig.
Doch ob die Schweiz ihr Fernziel, netto Null CO2-Ausstoss bis 2050, ganz ohne Verbote und ohne stärkere Anreizsysteme wirklich erreichen kann, muss zum heutigen Zeitpunkt eher angezweifelt werden.