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Vorschlag der Expertengruppe Sparhammer könnte am Widerstand der Kantone zerbrechen

Wenn politisch eine Blockade droht, beruft der Bundesrat gerne eine externe Expertengruppe ein. Zu diesem Mittel griff schon Verteidigungsministerin Viola Amherd bei der Frage der künftigen Sicherheitspolitik. Und Finanzministerin Karin Keller-Sutter hofft nun, die festgefahrene Spardebatte mit Vorschlägen von aussen aus der Sackgasse zu holen.

Auch wenn die Gruppe unter der Leitung von Serge Gaillard, dem ehemaligen Gewerkschafter und Direktor der Finanzverwaltung des Bundes, recht breit zusammengesetzt ist: Der Kurs der freisinnigen Finanzministerin ist doch erkennbar. Mehr Schulden machen kommt für die Expertinnen und Experten nicht infrage, das haben sie gar nicht eingehender geprüft. Man will primär bei den Ausgaben ansetzen und lieber nicht zu Steuererhöhungen greifen. Getreu nach der Devise von Karin Keller-Sutter: Der Bund habe ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem.

Alle müssen sparen

Die Expertinnen und Experten schlagen im Kern eine Opfersymmetrie vor: In fast allen Bereichen soll gespart werden. Der Strauss von Vorschlägen würde den Bund um jährlich rund vier bis fünf Milliarden Franken entlasten. Damit wäre wieder finanzpolitischer Spielraum vorhanden. So könnte etwa eine Individualbesteuerung eingeführt werden. Zurzeit sind Bundesrat und Parlament bei neuen Projekten völlig blockiert, weil jedes Jahr Milliardendefizite drohen.

Einzelne Vorschläge der Expertenkommission sind staatspolitisch aber heikel. Bei Klimaschutzmassnamen soll mehr auf Lenkungsabgaben und weniger auf Subventionen gesetzt werden. Doch hier hat die Stimmbevölkerung anders entschieden. Das Nein zum CO₂-Gesetz 2021 war ein Nein gegen solche Lenkungsabgaben. Das Ja zum Klimaschutzgesetz im letzten Jahr, ein Ja für mehr Milliardensubventionen.

Die Expertengruppe schlägt vor allem auch vor, dass die Kantone mehr bezahlen und Aufgaben übernehmen, bis zu 1.5 Milliarden jährlich. So sei die Subventionierung der Kinderbetreuung eine Kantons- und keine Bundesaufgabe. Und auch die milliardenschwere Subventionierung von Berg- und Randregionen soll gekürzt werden. Aus Sicht des Bundes einleuchtend, schliessen doch viele Kantone mit grossen Überschüssen ab, während sich der Bund mehr verschulden muss.

Kantone werden Vorschläge ausbremsen

Doch der Vorschlag ist politisch höchst riskant: Gerade bürgerliche Ständeräte, die oft mehr Sparsamkeit einfordern, treten plötzlich auf die Bremse, wenn es ihre Region treffen könnte. Die Kantone haben die möglicherweise stärkste Lobby überhaupt. Erste Reaktionen wie etwa der Konferenz der Kantonsregierungen deuten darauf hin, dass sich die Kantone mit Händen und Füssen gegen die Sparpläne wehren werden.

Selbst die zahlreichen Subventionen für die Landwirtschaft hat die Expertenrunde angetastet, politisch ebenfalls riskant. Denn in Bundesbern gilt: Wer den Widerstand der Landwirte provoziert, hat schon verloren.

Zwar will Finanzministerin Keller-Sutter nun rasch vorwärtsmachen und einzelne Sparvorschläge am Schluss auch tatsächlich ins Parlament bringen. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings hoch, dass der aufwendige Expertenbericht ein Papiertiger bleibt.

Andy Müller

Bundeshausredaktor

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Andy Müller ist Bundeshausredaktor des Schweizer Fernsehens. Zuvor war er Themenplaner und stellvertretender Redaktionsleiter von «10vor10».

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SRF 4 News, 05.09.2024, 14 Uhr

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