Worum geht es? Die Eidgenössische Kommission für Familienfragen (EKFF) will der Diskussion um die umfassende Elternzeit auf nationaler Ebene neuen Schwung verleihen. So schlägt die ausserparlamentarische Kommission vor, dass Mütter und Väter nach Geburt ihres Kindes zusammen 38 Wochen Elternzeit beziehen können. Die Aufteilung der Wochen sei entweder paritätisch, also mit je 19 Wochen für beide Elternteile, oder variabel möglich, schreibt die Kommission in einer Mitteilung. Mütter könnten mit dem neuen Modellvorschlag zwischen 16 und 23 Wochen, Väter zwischen 15 und 22 Wochen beziehen.
Weshalb ist dies wichtig? Die Schweizer Stimmbevölkerung hat im September 2020 den zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub angenommen. Schon vor der Abstimmung war aber eigentlich klar, dass dies für die linken Parteien langfristig nur ein Etappenziel sein dürfte; SP, Grüne und Grünliberale fordern schon länger eine Elternzeit – und somit mehr Flexibilität für Mütter und Väter.
Wie ist die Situation in den Kantonen? Diverse Vorlagen sind pendent, welche eine Elternzeit zum Ziel haben, etwa in Genf oder Luzern. Auch im Kanton Bern ist bereits eine Initiative zustande gekommen.
Die Idee deutlich verworfen hat das Stimmvolk des Kantons Zürich im vergangenen Frühling. Das Resultat wurde auch als Zeichen gewertet, dass die Elternzeit auf nationaler Ebene wohl noch wenig Chancen hat. Der Politologe Michael Hermann sagte damals: «Gerade, weil der Zürcher Entscheid so klar war, hat er eine Signalwirkung für die Bundespolitik.»
Wie steht die Schweiz im europäischen Vergleich da? In der Schweiz gilt: Wer ein Kind gebärt, muss während 14 Wochen nicht arbeiten; es ist der sogenannte «Mutterschaftsurlaub». Die Väter haben derweil Anspruch auf einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Beide Elternteile erhalten währenddessen 80 Prozent des Lohns.
Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt: Die Schweizer Regelungen sind strikt. In Finnland beispielsweise gibt es für jeden Elternteil 6.5 Monate Elternzeit, auch Norwegen, Österreich, Frankreich, Italien oder Deutschland geben den Eltern mehr Freiheiten.
Was sind die Argumente gegen eine Elternzeit? Meistens wird der Kostenfaktor ins Feld geführt. Entsprechende Reaktionen wurden auch bereits laut. So sagte Lukas Müller-Brunner, Leiter Sozialpolitik des Schweizerischen Arbeitgeberverbands: «Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist keine Frage der ersten 38 Wochen nach der Geburt. Es geht um langfristige Massnahmen. Wenn wir das in der Schweiz stärken wollen, dann bieten wir Hand. Dieses Modell hier ist schlichtweg zu teuer.» Die EKFF rechnet mit Zusatzkosten von 1.4 Milliarden Franken für die vorgeschlagene Elternzeit.
Was spricht für eine Elternzeit? Lena Hipp stellt die Kosten in den Kontext. Die Professorin für Sozialstrukturanalyse der Universität Potsdam sagt: «Wir sehen in den meisten Ländern mit Elternzeit, dass die Erwerbsquote von Müttern in den letzten Jahren ziemlich stark angestiegen ist.» Damit alleine sei es aber nicht getan, ebenso wichtig sei, inwiefern nach dieser Zeit die Kinderbetreuung gewährleistet sei. Oder einfach heruntergebrochen: Je familienfreundlicher die Strukturen in einem Land sind, desto besser die Chancen, dass die Mütter erwerbstätig sind und als Fachkräfte zur Verfügung stehen. Dann würden auch die Steuereinnahmen steigen und die Volkswirtschaft auf lange Sicht wachsen, so Hipp.