Der grösste Kanton der Westschweiz wird wieder bürgerlich regiert. Nach zehn Jahren unter der Mehrheit von SP und Grünen haben die Bürgerlichen zurückgeschlagen. Der Erfolg ihrer «Alliance Vaudoise» ist der Breite des bürgerlichen Schulterschlusses zu verdanken.
Anders als in früheren Jahren zogen nicht die FDP und die SVP allein in die Wahlen, sondern holten die Partei Die Mitte ins Boot. Die frühere CVP spielt in der Waadt zwar nur eine marginale Rolle. Sie war zuletzt von Grabenkämpfen alter Parteigrössen wie Claude Béglé und Jacques Neirynck geprägt. Aber die neue Parteipräsidentin Valérie Dittli hat diesen internen Kämpfen ein Ende gesetzt und frischen Wind in die Partei gebracht. Und vor allem ging sie das Wagnis einer Allianz mit der FDP und der SVP ein.
Die Mitte verfehlte damit zwar ihr Ziel, wieder im Kantonsparlament vertreten zu sein. Dafür schaffte die Juristin Dittli aus Oberägeri im Kanton Zug sensationell die Wahl in die Regierung. Leer ging hingegen die SVP aus, deren Kandidat Michaël Buffat dem rechten Rand der Partei zuzuordnen ist.
Bitterer Verlust für Links-Grün
Für Links-Grün ist der Verlust der Regierungsmehrheit hingegen bitter. Für die SP wurden zwar Rebecca Ruiz und Nuria Gorrite wiedergewählt, ihre Parteikollegin Cesla Amarelle wurde hingegen abgewählt. Die Bildungsdirektorin hatte mit Reformen im Schulwesen wohl zu viele im linken Lager gegen sich aufgebracht, zudem wurden im Schlussspurt des Wahlkampfes zwei Strafanzeigen gegen sie bekannt.
Halten konnten hingegen die Grünen ihren Sitz mit Vassilis Venizelos. Die links-grüne Mehrheit hatte im Wahlkampf vor allem mit den bisherigen sozialen Errungenschaften wie den hohen Prämienverbilligungen in der Waadt Werbung für sich gemacht. Nur die bisherigen Erfolge verteidigen – das verfing bei den Waadtländer Stimmberechtigten nicht. Zumal die bürgerliche «Alliance Vaudoise» im Wahlkampf stets betont hatte, dass die hohen Prämienverbilligungen vom Volk beschlossen worden seien und deshalb nicht infrage gestellt würden.
In der Waadt endet damit eine Ära für links-grün, die von Parteigrössen wie Pierre-Yves Maillard geprägt wurden. Nun braucht es links einen Generationenwechsel.
Bürgerliche Allianzen – keine Selbstläufer
Die Wahlen in der Waadt haben aber Signalwirkung für die ganze Westschweiz. Sie zeigen, dass bürgerliche Allianzen funktionieren. Nach dem Sieg im zweiten Wahlgang im Kanton Freiburg und dem souveränen Sieg im Kanton Bern ist der Wahlsieg in der Waadt ein starkes Zeichen.
Die Wahl zeigt aber auch, dass diese Allianzen keine Selbstläufer sind. Denn ein prägnant rechts politisierender Kandidat wie Michaël Buffat schafft die Wahl in einem traditionell bürgerlichen Kanton nicht. Trotzdem bleiben bürgerliche Allianzen ein Thema in der Westschweiz. Nächster Wahltermin ist im April 2023 in Genf. Im Vorfeld diskutieren die Genfer FDP, die SVP und die Mitte bereits ebenfalls über eine Allianz. Durch die Wahlen in der Waadt dürften sie sich gestärkt fühlen, die links-grüne Mehrheit in der Genfer Regierung ein Ende zu bereiten.