Der Gastronomie fehlt das Personal, tausende von Stellen sind offen. Die Gäste wären da, doch die Restaurants können nicht das volle Angebot machen. Auch in anderen Branchen fehlen aktuell unzählige Fachkräfte. Als Massnahme gegen den Fachkräftemangel wird in verschiedenen Ländern vermehrt eine Viertagewoche eingeführt.
Eine Studie der AXA zeigt, dass sich die Viertagewoche auch bei Schweizer-KMU immer grösserer Beliebtheit erfreut. Zehn Prozent der KMU würden einer Einführung einer Viertagewoche stark zustimmen, 28 Prozent würden eher zustimmen.
Insgesamt stehen also 38 Prozent der befragten KMU einer Viertagewoche positiv gegenüber, etwa die Hälfte der KMU ist dem neuen Modell gegenüber noch skeptisch (236 KMU wurden befragt).
Ein Betrieb, welcher die Viertagewoche bereits umgesetzt hat, ist das Hotel Hirschen in Langnau. Das Team arbeitet 10.5 Stunden am Tag. Die Arbeitswoche dauert hier aber nur vier Tage. Das Modell kommt gut an.
«Bei mir ist es so aufgeteilt, dass ich Sonntag und Montag freihabe. Einen Tag in der Woche ist ebenfalls arbeitsfrei, da schaue ich für das Kind. Für mich passt es so», sagt Chefkoch Nuno Vaz.
Die gleiche Arbeitszeit verteilt auf vier statt fünf Tage: Für den gelernten Koch und Geschäftsführer Kevin Weyermann ist die Viertagewoche immer schon ein Wunschmodell gewesen. «Wir wollten unseren Betrieb für die Arbeitnehmenden attraktiver machen. Zusammen sind wir dann auf die Viertagewoche gekommen.»
Frage der Vereinbarkeit?
Obwohl jetzt täglich 10.5 Stunden gearbeitet werden muss, scheint der Beruf attraktiver zu sein. «Wir haben eine Stelle ausgeschrieben, welche wir schnell wieder mit einer sehr guten Fachkraft besetzen konnten», so Weyermann.
Die Viertagewoche ohne Arbeitszeitverkürzung beim Hotel geht auf, weil neuerdings die sogenannte Zimmerstunde am Nachmittag wegfällt. Drei Stunden, die für Vorbereitungsarbeiten genutzt werden können und sonst oft verlorene Zeit waren, wie Vaz erklärt.
Dem Arbeitsmodell skeptisch gegenüber ist Johann Weichbrodt. Der Organisationspsychologe forscht seit zehn Jahren zu flexiblen Arbeitsmodellen. «Zum einen ist aus vielen Studien bekannt, dass ab der 9. Stunde Arbeitszeit pro Tag Fehler häufiger werden und mehr Unfälle produziert werden.»
Ein zweites Problem sehe er bei der Frage der Vereinbarkeit: «Ein solches Modell funktioniert nur, wenn jemand anders zu Hause die Arbeit macht. Meistens ist es dann die Frau, welche daheim alles auffängt. Meine Befürchtung wäre, dass die klassische Rollenverteilung mit diesem Modell zementiert wird.»
Ebenfalls die Viertagewoche eingeführt, aber mit Arbeitszeitverkürzung, hat das 25hours-Hotels in Zürich. Bereits die Hälfte der 160 Angestellten arbeiten im neuen Modell. «Vorher hat man theoretisch 42 Stunden in der Woche gearbeitet, nun arbeiten wir 37.5», erklärt Senior Bartender Julian Ritter.
Das Personal freut sich, und auch für den Hoteldirektor geht die Rechnung auf, obwohl die Personalkosten jetzt höher sind. Die Viertagewoche in der Hotelkette wurde aus der Not geboren, aus Personalnot. «Wir können nicht alle Zimmer verkaufen, uns geht Umsatz verloren. Als Arbeitgeber müssen wir attraktiver werden, darum haben wir die 4-Tage-Woche gewählt.»
Der Branchenverband Gastrosuisse empfiehlt seinen Betrieben, neue Arbeitszeitmodelle zu prüfen. Es gebe aber keine Patentlösung. Im Landgasthof Hirschen jedenfalls scheint sich das Viertagewoche-Modell zu bewähren.