Der neu gewählte Bundesanwalt Stefan Blättler ist derzeit unter der Bundeshauskuppel der neue Held. Beschrieben wird er als distanziert, grau, knochentrocken – das pure Gegenteil von seinem Vorgänger Michael Lauber. Dafür sei er integer, unbestechlich, zurückhaltend.
Die Politikerinnen und Politiker erwarten viel von Stefan Blättler. Er soll Ruhe in die Bundesanwaltschaft bringen, klare Strukturen schaffen, den «Laden personell aufräumen». Und er soll die grossen Fälle angehen. Mit jenen den Kampf aufnehmen, die den Staat unterwandern, mit Terroristen, mit der Mafia, mit den Wirtschaftskriminellen.
Das sind grosse Hoffnungen – zu grosse?
Tatsächlich spricht der Präsident der Gerichtskommission, Andrea Caroni, von einem «heroischen Akt» Stefan Blättlers. Der 62-jährige Blättler steht nach Jahren an der Spitze der Berner Polizei eigentlich am Ende einer Karriere, der es nichts hinzuzufügen gibt. Niemand, hüben wie drüben, der ihn kritisiert oder ein böses Wort über ihn sagen mag. Und doch, Blättler wird einen Job übernehmen, der als Schleudersitz gilt. Ein Job, bei dem es wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren gibt.
Und: Stefan Blättler darf nicht scheitern. Nicht noch einmal will die Schweiz diese Schmach. Das Land soll nicht wieder international zur Lachnummer werden, wie das unter Michael Lauber beim Fifa-Skandal der Fall war, als etwa die «Süddeutsche Zeitung» titelte: «Die wohl grösste Justizaffäre der Schweiz».
Die Fallhöhe könnte grösser nicht sein
Hier die Erwartungen, dort die Probleme. Und letztere sind bei der Bundesanwaltschaft immens. Unklar ist, wie die Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt werden sollen: Wer soll welche Fälle übernehmen und wie findet die Zusammenarbeit statt? Unklar ist die Rolle der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft: Welche Kompetenzen hat die Aufsicht? Unklar ist auch, wie viel Macht ein künftiger Bundesanwalt haben darf. Im Moment wählt er allein die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Er bestimmt, ob ein Strafverfahren eröffnet oder eingestellt wird.
Einzig bei der Wahl des Bundesanwaltes hat sich das Parlament geeinigt. Weiterhin soll die Bundesversammlung zuständig sein. Die Gerichtskommission soll rekrutieren, auch wenn deren Mitglieder in der Regel keine HR-Erfahrung mitbringen. Und auch wenn in der Kommission Anwälte mit Klienten sitzen, die dereinst vom neuen Bundesanwalt juristisch angegangen werden könnten. Und auch wenn die Wahl des Bundesanwaltes ein vorgängiges politisches Hickhack eigentlich nicht erträgt.
Und es gibt noch ein Problem: Das ist das Personal. Einige Staatsanwälte sind gegangen. Viele unerfahrene sind gekommen. Aber gerade in den grossen und komplexen Fällen braucht es Staatsanwältinnen mit Praxiserfahrung.
Stefan Blättler muss also viel bewältigen
Stefan Blättler, so integer und so kompetent er sein mag – kann er all diese Probleme meistern? Ja, aber nicht allein. Vieles hängt davon ab, wie gut ihn das Parlament, die Kantone, die Staatsanwälte und die Aufsicht unterstützen.
Es geht um viel. Um eine funktionierende Justiz auf allen Ebenen. Stefan Blättler riskiert viel, um die Bundesanwaltschaft in Form zu bringen. Bleibt zu hoffen, dass auch die Akteure um ihn herum ihre Partikularinteressen zurückstecken, für eine griffige Schweizer Justiz.