Die Polizei ist Stefan Blättlers Welt: seit 30 Jahren im Korps der Kantonspolizei Bern, die Hälfte davon als Kommandant. Eigentlich wäre der ausgebildete Jurist Ende des Jahres regulär pensioniert worden mit 62. Doch nun wagt Blättler den grossen Schritt.
Weil das Parlament die Altersschwelle für Bundesanwälte in dieser Session auf 68 angehoben hat, könne er noch etwas bewirken, erklärte er kürzlich im Radio: «In dieser Zeitspanne von sechs Jahren lässt sich einiges auch bewegen. Und ich freue mich, gewisse Änderungen – sofern sie denn nötig sind – und gewisse Anpassungen vorzunehmen.»
Wir haben jetzt auch die Rückmeldungen aus allen Fraktionen und politischen Richtungen, die sind alle begeistert, das freut mich sehr. Ich glaube, er wird ein sehr guter Bundesanwalt
Im August vor einem Jahr trat Bundesanwalt Michael Lauber zurück. Die Liste der Vorwürfe war lang: Nicht protokollierte Treffen mit dem Fifa-Chef. Und organisatorische Mängel. Für Andrea Caroni, den Präsidenten der Gerichtskommission, gestaltete sich die Suche nach einer Nachfolge schwierig: Erst bei der dritten Ausschreibung klappte es – die Wahl von Stefan Blättler am heutigen Mittwoch scheint nur noch Formsache.
«Wir haben jetzt auch die Rückmeldungen aus allen Fraktionen und politischen Richtungen, die sind alle begeistert, das freut mich sehr. Ich glaube, er wird ein sehr guter Bundesanwalt», sagt Caroni. Vorschusslorbeeren für Blättler, der als korrekt, direkt – aber auch etwas trocken gilt. Vielleicht ein Manko: Er war nie Untersuchungsrichter.
Die Erwartungen im Parlament an ihn sind hoch. «Es ist sehr wichtig, dass jetzt in der Bundesanwaltschaft Reformen stattfinden. Interne Reformen in der Organisation. Er muss eigentlich, salopp gesagt, den Laden ausmisten», fordert der Schwyzer SVP-Nationalrat Pirmin Schwander.
Das Parlament sprach sich in dieser Session dafür aus, eine Reform anzupacken. Die Aufsichtsbehörde müsse gestärkt und die Leitung der Bundesanwaltschaft breiter aufgestellt werden. Es dürfe nicht sein, dass jemand zu mächtig werde, sagt die Grüne Nationalrätin Sibel Arslan. «Das haben wir eben erst gesehen.» Ein Dreiergremium, das am besten divers zusammengesetzt sei, könne sich auch gegenseitig kontrollieren.
Stefan Blättler zeigt sich offen für Reformen. Der neue Bundesanwalt, der heute gewählt wird, will vieles ganz anders anpacken als sein Vorgänger.
Die unrühmlichen Abgänge in der Bundesanwaltschaft
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Bild 1 von 4. 1990: Rudolf Gerber stolpert über die Affäre Kopp und Fichen. Rudolf Gerber wurde die Fichenaffäre zum Verhängnis, die 1989 platzte, und die Affäre um die erste Schweizer Bundesrätin Elisabeth Kopp. Hier wurde ihm vorgeworfen, zu spät gehandelt zu haben. Zuerst vom Bundesrat suspendiert, trat Gerber nach ein paar Monaten von sich aus zurück. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 4. 2006: Valentin Roschachers Fiasko mit Drogenboss und Bankier. Valentin Roschacher führte seine Verfahren gerne mit grossem Aufwand. Zu weit ging er, als er mit José Manuel Ramos einen verurteilten kolumbianischen Drogenbaron als Informanten in die Schweiz holte. Ramos’ Anschuldigungen gegen Privatbankier Oskar Holenweger fielen Jahre später sogar gänzlich in sich zusammen. Roschacher musste zurücktreten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 4. 2011: Erwin Beyeler wird vom Parlament in die Wüste geschickt. Erwin Beyeler war im Auftreten und auch im Vorgehen das pure Gegenteil seines Vorgängers Valentin Roschacher. Im Resultat blieb er aber ebenso erfolglos. Angetreten, die Bundesanwaltschaft wieder auf Kurs zu bringen, geriet er in Kritik, weil er Verfahren weiterführte, ohne Ergebnisse zu liefern. Das Parlament wählte ihn schliesslich ab. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 4. 2020: Michael Laubers mysteriöse Fifa-Treffen. Anfänglich gelobt für seine zupackende Art und die erfolgreiche Reorganisation der Bundesanwaltschaft, verstrickte sich Michael Lauber im Zusammenhang mit geheimen Treffen mit Fifa-Präsident Gianni Infantino immer mehr in Widersprüche. Dann lieferte er sich einen gehässigen Kleinkrieg mit der Aufsicht, bis er schliesslich unter Druck zurücktrat. Bildquelle: Keystone.