- Der mit Plagiatsvorwürfen konfrontierte Henrique Schneider wird nicht neuer Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV).
- Der Vorstand hat aufgrund eines Rechtsgutachtens seine Wahl widerrufen.
- Das Gutachten erwähnt «serienmässiges Plagiieren».
In einer Mitteilung schreibt der Präsident des Gewerbeverbandes, Fabio Regazzi: «Für den SGV ist die Glaubwürdigkeit das höchste Gut. Daher hat sich der Vorstand nach eingehender Diskussion für diesen Schritt entschieden.»
Gutachten bestätigt Plagiatsvorwürfe
Das vom Verband in Auftrag gegebene Rechtsgutachten hat demnach die in den Medien erhobenen Plagiatsvorwürfe gegen den neuen Direktor Schneider bestätigt. Die Vorwürfe basierten auf Angaben des österreichischen Plagiatsforschers Stefan Weber.
Die «NZZ am Sonntag» hatte im März von einem begründeten Verdacht auf schwerwiegendes wissenschaftliches Fehlverhalten berichtet und davon, dass Schneider seinen Lebenslauf geschönt haben soll. Schneider wies alle Vorwürfe zurück und machte geltend, er führe keine akademischen Titel.
Im Rechtsgutachten heisst nach Prüfung der inkriminierten 65 Textstellen, dass Schneider zwar ein unter Umständen wenig gravierender, «aber dennoch bezüglich jeder einzelnen Textstelle der Vorwurf des Plagiats gemacht werden muss».
Zum bei der Bewerbung als SGV-Direktor eingereichten Lebenslauf hält das Gutachten fest, dass sich keine eigentlichen Falschangaben eruieren liessen. Auch von einer Schönung könne nicht die Rede sein, da Henrique Schneider etwa sein Doktorat nicht einmal aufgeführt habe.
Wieder auf Direktorensuche
In der arbeitsrechtlichen Beurteilung stuft die mit dem Gutachten beauftragte Kanzlei «das serienmässige Plagiieren» als klares Fehlverhalten und eine Treuepflichtverletzung ein. Diese sei aber nicht so schwerwiegend, weil es sich beim Gewerbeverband nicht um einen wissenschaftlichen Betrieb handle.
SGV-Präsident Regazzi teilt mit, auf der einen Seite stehe der grosse, überzeugende Leistungsausweis von Schneider. Dieser habe sich im Verband «sehr verdient gemacht». Auf der anderen Seite gehe es um die Glaubwürdigkeit und den Ruf der Organisation. Der Entscheid sei bedauerlich, aber notwendig.
Die Gewerbekammer – das Parlament des SGV – hatte Schneider am 8. Februar zum neuen Direktor gewählt. Er hätte am 1. Juli den altershalber abtretenden alt Nationalrat Hans-Ulrich Bigler ersetzen sollen.
Der Vorstand will nun dessen Nachfolge erneut an die Hand nehmen. Da es in den Statuten keine Regelung für den Widerruf einer Wahl gibt und wegen des Zeitdrucks entschied der Vorstand allein und informierte die Gewerbekammer.