Mindestens elf Frauen werden in der nächsten Legislaturperiode im Ständerat sitzen – und es könnten nach den noch ausstehenden zweiten Wahlgängen in mehreren Kantonen noch mehr werden.
Damit könnte sich die Politik im Ständerat womöglich merkbar verändern, sagt die Politologin Isabelle Stadelmann. Schliesslich waren es in der vergangenen Legislatur bloss sechs Frauen, die im Ständerat politisierten.
SRF News: Wie erklären Sie die vergleichsweise hohe Anzahl Ständerätinnen im neuen Parlament?
Isabelle Stadelmann: Man hat schon vor den Wahlen ausgerechnet, dass bis zu elf Frauen die Wahl in den Ständerat schaffen könnten. Deshalb ist die Zahl nicht völlig überraschend. Grund für den Erfolg ist sicher die «Frauenwahl», von der schon viel gesprochen worden ist.
Ist der Erfolg für die Frauen auch ganz einfach darauf zurückzuführen, dass so viele Frauen kandidiert haben?
Man weiss, dass Frauen gleich gut gewählt werden wie Männer. Bislang standen weit weniger Frauen zur Wahl als Männer. Das hat sich bei dieser Ständeratswahl geändert, indem mehr Frauen zur Wahl angetreten sind.
Der Frauenstreik hat sicher einen identitätsstiftenden Effekt über die Parteigrenzen hinweg gehabt.
Welcher Anteil an dem Erfolg hatte der Frauenstreik vom 14. Juni?
Der Frauenstreik war ein einzelnes Element des grösseren Themas. Begonnen hatte das mit der Aktion «Helvetia ruft». Sie rief die Frauen dazu auf, sich vermehrt einer Wahl zu stellen. Dabei hat der Frauenstreik sicher einen identitätsstiftenden Effekt über die Parteigrenzen hinweg gehabt.
In Freiburg wurde der langjährige CVP-Ständerat Beat Vonlanthen nicht wiedergewählt, die 31-jährige FDP-Kandidatin Johanna Gapany machte an seiner Stelle überraschend das Rennen. Vonlanthen hatte überhaupt nicht mit einer Wahlniederlage gerechnet…
Es ist völlig unüblich, dass amtierende Ständerätinnen oder -räte abgewählt werden. Deshalb ist es verständlich, dass der Erfolg Gapanys für Vonlanthen völlig überraschend kam. Tatsächlich hatte man mit diesem Frauensitz im Vorfeld der Wahlen nicht gerechnet.
Knapp ein Viertel der Sitze im Ständerat werden von Frauen besetzt. Verändert das die Politik der kleinen Kammer?
Darüber gibt es unterschiedliche Meinungen und Ansätze. Es gibt die Ansicht, dass die Partei das Abstimmungsverhalten stärker beeinflusst als das Geschlecht. Eine SP-Vertreterin wird sich in ihrer ständerätlichen Politik also kaum von der Politik eines SP-Ständerats unterscheiden. Dasselbe kann man auch für die meisten anderen Parteien sagen. Gemäss dieser Ansicht wird der Unterschied bei den politischen Inhalten nicht sehr gross sein.
Wir müssen die künftigen Ratsdiskussionen und -entscheide abwarten.
Es gibt aber auch die Perspektive zu sagen, dass die Frauen sehr wohl einen Unterschied ausmachen – allein schon, was die Inputs angeht. Demnach sollten Frauen im Grunde gemäss ihrem Anteil an der Bevölkerung die Hälfte der Sitze einnehmen. Damit würde sich an den Dynamiken und den Schwerpunkten der Diskussion im Rat sehr wohl etwas ändern. Was genau und wie stark das sein könnte, weiss man aber nicht. Dazu müssen wir die künftigen Ratsdiskussionen und -entscheide abwarten.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.