- Rund vier Monate vor den eidgenössischen Wahlen bestätigt das SRG-Wahlbarometer den angekündigten Linkstrend.
- Die Grünen und die Sozialdemokraten machen – verglichen mit den Wahlen 2015 – zusammen 3.3 Prozentpunkte gut.
- Die SVP bleibt wählerstärkste Partei, büsst aber fast drei Prozentpunkte ein.
«Die SVP gehört nicht mehr zu den Gewinnern. Die Partei verliert an Ausstrahlung», erklärt Politologe Michael Hermann den Verlust der Rechtspartei im Wahlbarometer. Sein Büro, die Forschungsstelle Sotomo, hat das Barometer im Auftrag der SRG erstellt. Zwar hat die SVP nach wie vor einen komfortablen Abstand auf die zweitgrösste Partei, die SP, doch würde jetzt gewählt, wäre der Rückgang beträchtlich.
Überalterte Basis
Bei den eidgenössischen Wahlen im Jahr 2015 holte sich die SVP 29.4 Prozent aller Wählerstimmen, in der aktuellen Umfrage sinkt dieser auf 26.5 Prozent. Das ist deutlich über dem Fehlerbereich des Barometers von 1.5 Prozentpunkten. Der Verlust zeichnete sich schon in der Umfrage vom Februar 2019 ab, wurde in der Zwischenzeit aber noch deutlicher.
Die Partei habe Mühe, junge Wählerinnen und Wähler zu gewinnen, meint Hermann. «Die SVP hat die grösste Überalterung aller Parteien.» Sind es bei den über 65-jährigen noch knapp 30 Prozent, die im Herbst der SVP ihre Stimme geben wollen, so liegt dieser Anteil bei den 18- bis 25-jährigen bei 20 Prozent.
Das komplette Wahlbarometer zum Nachlesen
Da die SVP grösste Partei ist, sind das zwar immer noch mehr junge Stimmen, als bei allen anderen Parteien, doch die alten Wähler dominieren klar. Die Grünen holen sich im Vergleich 14 Prozent aller jungen Stimmen und nur sechs Prozent der über 65-jährigen.
Kampf um vierten Platz
Stichwort grün: Der Höhenflug hält an. Die Grünen könnten sich zum ersten Mal einen zweistelligen Wähleranteil ergattern – gemäss dem Barometer liegt er aktuell bei 10.1 Prozent und damit drei Prozentpunkte über jenem von 2015. «Zum ersten Mal wird die Klimafrage als das wichtigste Wahlthema angesehen», sagt Politologe Hermann, «davon profitieren natürlich die beiden Parteien, die Grün im Namen tragen». So macht auch die GLP vorwärts – um 1.8 Prozentpunkte gegenüber den letzten Wahlen.
Mit einem Wähleranteil von 10.1 Prozent kommen die Grünen der CVP gefährlich nahe und drohen diese vom vierten Platz zu stossen. Die Mitte-Partei verliert einen Prozentpunkt und landet bei 10.6 Prozent. Auch der BDP brechen Wähleranteile weg – sie kann noch 2.9 Prozent aller Stimmbürger begeistern. Verglichen mit 2015 sind das 1.2 Prozentpunkte weniger.
Der Trend geht Richtung grün und links
Diese Erosion in der Mitte kann die dritte Mitte-Partei, die GLP, nur teilweise aufhalten und den Stimmverlust nicht ganz decken. Es profitiert die Linke. «Wir sehen einen Linksrutsch, wie es ihn seit 2003 nicht mehr gegeben hat», sagt Michael Hermann. Beachtlich ist dabei, dass die Grünen nicht mehr auf Kosten der Sozialdemokraten gewinnen. Im letzten Wahlbarometer hatte es noch danach ausgesehen. Doch: «Der Trend geht eben nicht mehr nur in Richtung grün, sondern auch in Richtung links.»
Die FDP liegt in etwa gleichauf wie nach den letzten eidgenössischen Wahlen – bei 16.2 Prozent. Erwähnenswert ist, dass die Freisinnigen im Wahlbarometer vom Februar noch zu den Gewinnern gehörten – damals gaben 17.4 Prozent an, die FDP wählen zu wollen. Mit dem angekündigten Verlust der SVP und dem Stagnieren der FDP ist auch die knappe Mehrheit der beiden Parteien im Nationalrat gefährdet. Es käme zu neuen Machtverhältnissen.