Kaum ein Thema erhitzte in den letzten Jahren die politischen Gemüter in der Schweiz wie das Rahmenabkommen mit der EU. Brüssel fordert seit Jahren, dass die diversen Abkommen mit der Schweiz unter einem Dach zusammengefasst werden – in einem Rahmenabkommen. Seit November 2018 liegt ein Entwurf vor. Diesen Juni entschied der Bundesrat, diesen vorläufig nicht zu unterzeichnen, er fordert «Präzisierungen». Wie weiter? Darüber gehen die Ansichten in den politischen Lagern weit auseinander, wie in der «Wahl-Arena» mehr als deutlich wurde.
Es liegt ein Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU zur Unterschrift bereit, der Bundesrat zögert. Was nun?
Filippo Lombardi, Ständerat CVP/TI, Fraktionschef CVP: Die Qualität ist wichtiger als das Tempo. Und wenn wir einige Monate mehr brauchen, um die Präzisierungen zu erhalten, die die Schweiz von der EU erwartet: Ohne diese Präzisierungen gehen wir nicht weiter.
Die Qualität ist wichtiger als das Tempo.
Jürg Grossen, Nationalrat GLP/BE, Präsident GLP: Das Abkommen ermöglicht unseren Unternehmen den Zugang zu Europa. Ohne Rahmenabkommen droht das zu erodieren. Gegen ein paar Präzisierungen habe ich nichts, man sollte nun aber nicht zu lange warten.
Magdalena Martullo-Blocher, Nationalrätin SVP/GR: Ich bin die Einzige in der Runde, die auch wirklich über diesen Hafen hier in Basel Güter transportiert. Unsere Vorteile liegen nicht im Rahmenabkommen, sondern in den Gütern selber.
Rosmarie Quadranti, Nationalrätin BDP/ZH, Fraktionschefin BDP: Wir brauchen mit unserem wichtigsten Nachbarn einfach geregelte Beziehungen – und genau das macht das Rahmenabkommen.
Ein grosser Streitpunkt ist die «automatische» Übernahme von EU-Recht – die dynamische Rechtsübernahme. Geht das nicht zu weit?
Regine Sauter, Nationalrätin FDP/ZH: Das heisst doch überhaupt nicht, dass wir EU-Recht einfach so übernehmen. Das ist klar geregelt, wie die Prozesse laufen. Das Schweizer Volk kann jedesmal Ja oder Nein sagen, es ist kein Automatismus.
Das Schweizer Volk kann jedesmal Ja oder Nein sagen, es ist kein Automatismus.
Magdalena Martullo-Blocher, Nationalrätin SVP/GR: Im Vertrag ist geregelt, dass, wenn das Schweizer Parlament oder das Volk Nein sagt, Strafmassnahmen über die Schweiz verhängt werden. Diese Massnahmen sind im Vertrag nicht mal definiert. Es kann durchaus auch die Kündigung sein.
Es kann durchaus auch die Kündigung sein.
Balthasar Glättli, Nationalrat Grüne/ZH, Fraktionschef Grüne: Wir können uns einbringen, wenn es eine Änderung gibt. Und wir können dann entscheiden, wollen wir das so in unsere Gesetzgebung übernehmen? Wenn wir das nicht machen, hat das Konsequenzen zur Folge – aber nicht so gravierende wie jetzt.
Stark umstritten ist der Lohnschutz. Sind die Schweizer Löhne mit dem Rahmenabkommen sicher?
Beat Jans, Nationalrat SP/BS, Vizepräsident SP: Was hier vorliegt, ist für die Schweiz nicht gut. Der Teil dieses Vertrags ist schlecht. Solange nicht unterschrieben ist, müssen wir dafür kämpfen, dass es eine Lösung gibt, die unseren Wohlstand sichert.
Was hier vorliegt, ist für die Schweiz nicht gut. Der Teil dieses Vertrags ist schlecht.
Jürg Grossen, Nationalrat GLP/BE, Präsident GLP: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort – der Lohnschutz ist in der Substanz mit dem Rahmenabkommen gewährt.
Regine Sauter, Nationalrätin FDP/ZH: Der Lohnschutz kann mit dem, was vorgesehen ist, gewährleistet werden. Man muss auch sagen: Es geht nicht um alle Arbeitnehmer in der Schweiz. Es geht um Berufe, wo Leute für kurze Zeit in die Schweiz kommen, arbeiten und dann wieder gehen. Bei allen anderen Berufen, und das ist die Mehrheit, ist das sozialpartnerschaftlich geregelt.
Es wird immer klarer: Bevor ein Rahmabkommen mit der EU unterschrieben werden könnte, wird über die sogenannte «Kündigungs-Initiative» der SVP entschieden. Diese möchte die Personenfreizügigkeit kippen. Wird also das Rahmenabkommen sowieso hinfällig?
Magdalena Martullo-Blocher, Nationalrätin SVP/GR: Dass jeder in die Schweiz kommen kann und einen anderen mit Billiglohn verdrängen kann, oder Sozialleistungen beziehen kann, da sind wir dagegen. Und das wird mit dem Rahmenvertrag noch viel mehr der Fall sein.
Beat Jans, Nationalrat SP/BS, Vizepräsident SP: Wenn diese Initiative angenommen wird, dann fallen die Bilateralen Verträge dahin. Dann gibt es ein Chaos wie das momentan in England herrscht.