Der Brunnen in der Sissacher Begegnungszone plätschert. Unverändert. Auch nach dem Fall dieser Grünen-Bastion, der schon fast symbolisch steht für den Einbruch der Umweltpartei in der Schweiz.
Minus 15.2 Prozentpunkte für die Grünen in dieser rund 7000 Einwohner starken Gemeinde, wo die Partei vor vier Jahren einen Wähleranteil von beispiellosen 29.5 Prozent feierte und jetzt mit der Hälfte leben muss.
Wie grün sind Sie denn noch?
Ganz überzeugte Grüne finden sich nur wenige unter jenen, die an diesem regnerischen Montag nach den Wahlen das Lebensmittelgeschäft in der Begegnungszone verlassen.
«Nicht so grün» oder «Nix grün, komplett das Gegenteil», heisst es etwa. «Gar nicht», sagt ein Passant, der sich gleich als SVP-ler zu erkennen gibt. «Relativ grün – also so grün-SP», meint eine andere Frau. Und ein jüngerer Mann stellt fest: «Grün, solange es wirtschaftlich immer noch Sinn macht.»
Der Faktor Maya Graf
Beim Nachhaken zeigt sich aber auch, dass ganz so konsequent viele dann doch nicht sind. Auch wer sich als «nicht so grün» bezeichnet, kann anscheinend eine grüne Politikerin auf die Wahlliste schreiben: «Ich bin sehr zufrieden mit dem Ausgang der Wahlen, vor allem auch, dass Maya Graf wiedergewählt wurde.»
Ich wähle im Gegensatz zu meiner ganz grünen Tochter nicht extrem, aber Maya Graf schon.
Maya Graf, Sissacherin und weiterhin Ständerätin der Grünen, scheint offenbar für etliche Leute in der Gemeinde eine Ausnahme zu machen: «Maya Graf ja, aber Grüne nein. Das ist Sissach», so eine Stimme. Eine weitere Passantin erzählt, dass sie im Gegensatz zu ihrer «ganz grünen Tochter» nicht extrem wähle – «aber Maya Graf schon».
Der abgeschwächte Zugpferd-Effekt
Das dürfte den hohen Wähleranteil der Grünen in der Vergangenheit in Sissach zu einem grossen Teil erklären: Maya Graf war jeweils ein Zugpferd bei den Nationalratswahlen. Wer Maya Graf auf der Nationalratsliste eine Stimme gab, gab automatisch auch den Grünen eine Stimme.
Auch vor vier Jahren konnte sie ihrer Partei damit überproportional helfen, als sie sowohl für den Nationalrat als auch für den Ständerat kandidierte.
Bei den diesjährigen Wahlen hat Maya Graf erstmals seit 2003 nur noch für den Ständerat kandidiert. Mit schwerwiegenden Folgen: Erstmals seit 20 Jahren rangieren die Grünen bei den wählerstärksten Parteien in Sissach nicht mehr auf Rang 1 oder 2, sondern fallen auf Rang 4 zurück.
Jedermann kennt die Ur-Sissacherin, da kann sie fast nichts falsch machen.
Beim Sissacher Bahnhof – einem Knotenpunkt auf halber Zugstrecke zwischen Basel und Olten – wartet der grüne Gemeinderat Robert Bösiger.
Er ist sich der Wirkung von Ständerätin Maya Graf bewusst: Sie sei eine Ur-Sissacherin wie ihr Vater, der damalige SVP-Landrat. Jedermann kenne Maya Graf, entsprechend könne sie fast nichts falsch machen.
War Sissach gar nie so richtig grün?
Der Absturz der Grünen in Sissach schmerze natürlich, so Robert Bösiger: «Wenn man hoch startet und der Trend wechselt, ist die Fallhöhe einfach umso grösser.»
Die Sissacherinnen und Sissacher sind nicht grüner als alle anderen.
Die Sissacherinnen und Sissacher seien nicht grüner als alle anderen, schätzt Robert Bösiger. Auch wenn dies oft behauptet werde, sei das nicht unbedingt so. Immerhin ein bisschen grüner ist Sissach mit gut 14 Prozent nach wie vor, verglichen mit dem nationalen Schnitt, der am Sonntag unter die Zehn-Prozent-Marke fiel.