Nach dem Höhenflug bei den Wahlen von 2019 mussten die Grünen am Wochenende einen herben Verlust einstecken. Ob die Ambition, einen Sitz im Bundesrat zu erhalten, weiterverfolgt wird, lässt sich Parteipräsident Balthasar Glättli nicht entlocken.
SRF News: Ein Minus von fast vier Prozent. Die Grünen fallen damit unter die Zehn-Prozent-Marke. Wie sehr schmerzt Sie das heute Morgen?
Balthasar Glättli: Es schmerzt mehr als gestern. Ich konnte mich gestern ein bisschen entspannen, als feststand, dass wir das zweitbeste Resultat unserer Geschichte erreicht haben. Das wird die Kräfteverhältnisse der nächsten vier Jahre prägen. Wir sind mit drei Sitzen bereits wieder sicher im Ständerat verankert. Und wir durften ganz zum Schluss sogar feststellen, dass es nur fünf Sitzverluste statt – wie zwischenzeitlich prognostiziert – sieben sind.
Meine persönliche Vermutung – ohne Datengrundlage – ist, dass es immer mehr Menschen gibt, die denken, die Klimakrise sei schon so weit fortgeschritten, dass man nichts mehr machen könne – dass eine gewisse Resignation herrscht.
Emotional frustriert es mich, dass es nicht gelungen ist, besser abzuschneiden. Zwar ist der Rechtsrutsch im Nationalrat weniger stark, als man das 2015 erlebt hat. Dass der Ständerat wie in der Legislatur 2015 bis 2019 die progressivere und vor allem die sozialere Kammer ist, ist nicht zu erwarten, obwohl es noch viele Nachwahlen gibt.
Warum konnten Sie die Wahlberechtigten nicht überzeugen, dass die Schweiz eine grüne Politik braucht?
Wir werden schauen müssen, ob wir an Nicht-Wählende oder an unsere Konkurrenz im rot-grünen Lager verloren haben. Das wird für die Beantwortung dieser Frage entscheidend sein. Meine persönliche Vermutung – ohne Datengrundlage – ist, dass es immer mehr Menschen gibt, die denken, die Klimakrise sei schon so weit fortgeschritten, dass man nichts mehr machen könne – dass eine gewisse Resignation herrscht. Ich hoffe nicht, dass es das ist. Es gibt ganz viele Punkte, an denen müssen und können wir noch arbeiten, und dies werden wir auf jeden Fall tun. Wir sind in der zweitgrössten Fraktion, mit einem doch grossen Gewicht in der grossen Kammer.
Zu den Bundesratsambitionen der Grünen: Eigentlich können Sie diesen Entscheid heute schon fällen?
Wir fällen solche Entscheide nicht einsam, quasi am Stehpult des Radios als präsidiales Dekret. Wir sind eine ganze Fraktion. Was man allerdings sagen kann, es ist ja offensichtlich: Dieses Resultat ist kein Booster für unsere Bundesratsambitionen.
Es stellt sich automatisch auch die Frage nach dem Parteipräsidenten. Sind Sie noch der richtige Präsident für die Grünen, Balthasar Glättli?
Das ist eine Frage, die man sinnvollerweise nicht ganz alleine entscheidet. Man muss nicht für sich der richtige Präsident sein, sondern für seine Parteikolleginnen und Parteikollegen.
Wir werden darüber sprechen müssen, was die richtige Zusammensetzung des Teams in Zukunft ist.
Wir werden zusammensitzen und diese Wahl vertieft analysieren. Wenn dann alle Zahlen und auch die Rückmeldungen aus den Kantonen – die speziellen Analysen – vorliegen, wird man auch sehen, wie die anderen Parteien wo und warum abgeschnitten haben. Wir werden darüber sprechen müssen, was die richtige Zusammensetzung des Teams in Zukunft ist.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.