Am Sonntag ist die Schweiz nach rechts gerückt. Aber wie war dieser «konservative Rutsch» nach dem Grünrutsch von 2019 möglich, welche Wählerschichten strömten an die Urne und welche Themen waren es, die sie am meisten bewegten? Ebendiese Fragen beantwortet die SRG-Nachwahlbefragung, durchgeführt von der Forschungsstelle Sotomo.
Politologin Sarah Bütikofer gibt eine Haupterkenntnis wieder: «Zum einen hat die SVP ihre angestammte Wählerschaft sehr gut mobilisieren können. Zum anderen konnte sie quer durch die politischen Lager neue Wählerinnen und Wähler gewinnen.»
Und das auch, weil das wichtigste Thema für den Wahlentscheid die Migration war, die die SVP ins Zentrum ihrer Kampagne gerückt hatte. «In diesem Jahr hat die SVP in erster Linie mit der Furcht vor der Zehn-Millionen-Schweiz Wahlkampf betrieben», sagt Bütikofer. Für drei Viertel der SVP-Wählerschaft war dies auch der Grund, der Partei ihre Stimme zu geben.
Aus Grün wird Rot
Dass das Zuwanderungsthema derart mobilisierte, erstaunt insofern, als die Krankenkassenprämien von 52 Prozent der Befragten als grösste politische Herausforderung betrachtet werden – noch vor dem Klimawandel mit 36 Prozent und der Zuwanderung mit 35 Prozent.
Die SP und die Grünen fischen seit geraumer Zeit im gleichen Teich.
Gleichwohl konnte auch die SP davon profitieren, dass soziale Themen im Vergleich zu den letzten Wahlen verstärkt in den Fokus gerückt sind: So konnte die SP durch die Abwanderung bei den Grünen zwei Prozentpunkte dazugewinnen. «Die beiden Parteien fischen seit geraumer Zeit im gleichen Teich», erklärt die Politologin. «Je nach Themenkonjunktur entfallen die Stimmen aus dem linken Lager eher auf die Grünen oder eher auf die SP.»
Klimaschutz kein grünes Alleinstellungsmerkmal mehr
Allerdings: Am Sonntag ist es der SP nicht gelungen, die grossen Verluste der Grünen voll und ganz zu kompensieren. Und die Sozialdemokraten haben auch Stimmen an die Mitte (-0.4) und die SVP (-0.5) Prozent verloren. Die Mitte konnte Stimmen von links und liberal gewinnen, verlor aber auch 0.7 Prozentpunkte an die SVP.
Mehr als die Hälfte der Verluste der Grünen gehen Richtung SP. Die Grünen haben jedoch auch an die SVP, die GLP und die Mitte verloren. Im Vergleich zu 2019 haben die Grünen auch eine Demobilisierung erfahren. Und: Der Klimaschutz ist für die Wahl der Grünen zwar absolut zentral. Allerdings geben auch viele SP-Wählende an, dass sie die Partei aus diesem Grund gewählt haben – ein Alleinstellungsmerkmal ist der Klimaschutz für die Grünen nicht mehr.
Die Themenkonjunktur spielte auch der «Wirtschaftspartei» FDP nicht in die Hände. Denn wirtschaftsliberale Themen wie die Reform der Altersvorsorge, Steuern und Wirtschaft sowie Wettbewerb haben für die Befragten an Bedeutung verloren.
Mit Blick auf die Altersstruktur fällt auf, dass die SVP bei diesen Wahlen am meisten Wählende mittleren Alters (46 bis 65) gewonnen hat. Die Mitte und die FDP wurden am häufigsten von Wählenden im Pensionsalter gewählt, die Grünen sprechen deutlich mehr junge als ältere Personen an. Am meisten junge Wählende konnte die SP überzeugen.
Die SVP konnte bei Personen mit tieferer Bildung deutlich besser punkten als bei Hochgebildeten. Den grössten Gegensatz dazu bildet die Grüne Partei, deren Wählerschaft mehrheitlich tertiär ausgebildet ist.
Die FDP ist die Partei, die vorwiegend von sehr gut verdienenden Personen gewählt wird. Die SVP spricht gut und sehr gut verdienende Personen ebenfalls an, wird aber am häufigsten von wenig Verdienenden gewählt.
In der Nachwahlbefragung wurde auch bereits auf die kommende Legislatur geblickt. Dann wird sich zeigen, wie sich der «Rechtsrutsch ohne rechte Mehrheit» politisch manifestiert. Denn: Die Rechtsparteien verfehlen eine absolute Mehrheit im Nationalrat und gerade die Mitte-Partei wird zur Mehrheitsbeschafferin für links und rechts.
Fazit: In den kommenden vier Jahren wünschen sich die Befragten allem voran griffige Massnahmen gegen die stetig steigenden Gesundheitskosten. Denn die Krankenkassenprämien drücken den Menschen ebenso aufs Gemüt wie auf den Geldbeutel.