Der Krieg in der Ukraine fordert die Schweizer Neutralität heraus. Die Neutralitätspolitik des Bundesrats stösst derzeit im Ausland immer wieder auf Unverständnis. So kritisierte etwa der amerikanische Botschafter, die Schweiz tue zu wenig, um die Russland-Sanktionen umzusetzen und Deutschland ärgerte sich, dass die Schweiz die Weitergabe von Waffen an die Ukraine nicht erlaubt.
Am Freitag warf Moderator Sandro Brotz in der «Arena» deshalb die Frage auf, ob wenigstens die Anwesenden die Neutralitätspolitik des Bundesrats verstünden. «Nein», antwortete die Mitte-Ständerätin Andrea Gmür. Die Schweiz könne neutral sein und habe trotzdem viele Möglichkeiten, die Ukraine zu unterstützen. «Wenn wir im Rahmen dieser Möglichkeiten nichts machen, dann unterstützen wir Russland», so Gmür.
Für GLP-Nationalrat Beat Flach ist der Fall klar: «Die Neutralität braucht ein Update.» In diesem Update inbegriffen wären für Flach auch direkte Waffenlieferungen an die Ukraine. So weit würde die FDP-Nationalrätin Maja Riniker nicht gehen. Aber auch sie möchte die Neutralitätspolitik «möglichst flexibel handhaben». Weil die Politik des Bundesrates momentan nicht nachvollziehbar sei, müsse das Parlament vorwärtsmachen, betonte Riniker. Sie möchte den Verkauf von 25 Leopard-2-Kampfpanzern an eine deutsche Firma erlauben, damit Deutschland seine Armeebestände wieder auffüllen kann.
SVP-Ständerat Werner Salzmann entgegnete, eine solche Panzerlieferung sei mit der Neutralität nicht vereinbar. Man müsse das geltende Neutralitätsrecht achten und könne die Schweizer Neutralität nicht «einfach über Bord werfen». Auch Grünen Nationalrätin Marionna Schlatter ärgerte sich über die Debatte um Waffenlieferungen. Geht es nach ihr, muss die Schweiz im humanitären Bereich viel mehr helfen. Zur Neutralitätspolitik des Bundesrats meinte Schlatter: «Die militärische Neutralität der Schweiz verstehen alle. Was die Leute nicht verstehen, ist die «Geschäftli-Macher-Neutralität». Die Schweiz sei der Oligarchen-Hafen von Europa. Auch der SP-Vizepräsident Jon Pult findet, die Schweiz müsse «ihren Stall in Ordnung bringen». Für Pult heisst das, dass die Sanktionen konsequenter umgesetzt werden müssen.
«Die Hoffnung stirbt zuletzt»
Im zweiten Teil der Sendung widmeten sich die Parlamentarier einem politischen Dauerbrenner: die Beziehungen der Schweiz zur EU. Bis Ende Jahr soll der Bundesrat Vorbereitungen treffen, damit die Verhandlungen mit der EU nächstes Jahr starten können. Kommt jetzt der grosse Durchbruch? «Die Hoffnung stirbt zuletzt», sagte Jon Pult. Eine Lösung mit der EU zu finden, bedeute aber auch, gewisse Kompromisse einzugehen.
Dass die Schweiz ein geklärtes Verhältnis zur EU braucht, finden auch Andrea Gmür und Maja Riniker. Marionna Schlatter betonte, dass die Schweiz ein Teil Europas sei. Für Beat Flach ist beim Vorwärtskommen im EU-Dossier vor allem eines zentral: «Die Verhandlungen dürfen nicht vom Bundesrat im stillen Kämmerlein geführt werden. Es braucht eine parlamentarische Debatte.»
Für den SVP-Ständerat Werner Salzmann hingegen wäre eine Einigung mit der EU auf jetziger Basis alles andere als ein Durchbruch. Er sieht die Demokratie in Gefahr. «Ich unterstütze diese Verhandlungen nur, wenn unser höchstes Gut gewahrt wird: nämlich das Recht, mitzubestimmen», betonte Salzmann. Ob es die Schweiz in diesem Anlauf schaffen wird, die Beziehungen zur EU zu stabilisieren, hängt nicht zuletzt vom Bundesrat ab, der in der Aussenpolitik das Heft in der Hand hat.