Nach über 30 Jahren hat die SP einen der beiden Schaffhauser Ständeratssitze zurückerobert. Simon Stocker ist gelungen, was vorher im nördlichsten Kanton der Schweiz kein Kandidat und keine Kandidatin je geschafft hat: Nämlich einen amtierenden Ständerat aus dem Amt zu drängen. Wie ist das zu erklären?
Unnahbar im Wahlkampf
Thomas Minder lebte jahrelang von seinem Image als Robin Hood der Politik. Seine Wahl 2011 als Unabhängiger, welcher den «Kindergarten und Streichelzoo» im Bundeshaus aufmischt, traf aber den Zeitgeist.
Doch nun musste der Unternehmer aus Neuhausen erfahren, dass «ein dicker Hals» allein in der Politik nicht mehr genügt. Gefragt sind Lösungen statt Schimpftiraden. Konstruktives Miteinander statt Polarisierung.
Minder ist ein leidenschaftlicher Kämpfer seiner Überzeugungen, nimmt kein Blatt vor den Mund. Das ist ihm hoch anzurechnen. Aber er ist keiner, der gerne auf Menschen zugeht. Anders als der nahbare Simon Stocker. Minder zeigte sich erst in den letzten vier Wochen, also nach seiner Niederlage im ersten Wahlgang, auch von einer persönlicheren Seite und begann, auf dem Schaffhauser Fronwagplatz Bratwürste und Marronis zu verteilen. Er suchte das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern reichlich spät.
Berechnende Strategie der FDP
Die bürgerlichen Parteien in Schaffhausen mussten zudem erfahren, dass es nicht genügt, sich nur hinter Minder zu stellen, um den linken Stocker zu verhindern und diesen als Kommunisten und Armee-Abschaffer zu beschimpfen.
Vor allem die Schaffhauser FDP gab dabei kein glaubwürdiges Bild ab. Nachdem die Partei Minder zwölf Jahre lang erbittert bekämpft und kritisiert hat, zwang sie ihre eigene junge Kandidatin im zweiten Wahlgang zum Rückzug – gegen deren Willen notabene – um dann Minder zu unterstützen.
Dies tat die Partei in der Hoffnung, dass sich Minder in vier Jahren aus der Politik verabschiedet und der FDP so den Weg ins Stöckli ebnet. Eine Strategie, die allzu berechnend erschien. Sie wurde nicht einmal von allen Freisinnigen goutiert. Und nun ebenso wenig von den Schaffhauser Wählerinnen und Wählern.