Bern steht vor einer doppelt historischen Stadtpräsidiumswahl: Erstmals in der Geschichte der Bundesstadt könnte der amtierende Stapi abgewählt werden. Gleichzeitig könnte zum ersten Mal eine Frau Stadtpräsidentin werden.
Holt SP-Frau Kruit das Stapi-Amt zurück?
Warum bahnt sich ein Wahlkrimi an? Die SP-Gemeinderätin Marieke Kruit greift den amtierenden Stadtpräsidenten Alec von Graffenried von der Grünen Freien Liste (GFL) an, obwohl beide zusammen im Rot-Grün-Mitte-Bündnis (RGM) politisieren.
Die SP zeigte sich zuletzt unzufrieden mit von Graffenrieds Amtsführung, etwa wegen der gescheiterten Fusion von Bern und Ostermundigen. Und die SP will das Stapi-Amt zurückerobern, das ihr von Graffenried 2016 abgejagt hat.
Die Kandidierenden für das Berner Stadtpräsidium
Kruit werden zwar gute Chancen eingeräumt, auch weil sie kaum Angriffsfläche bietet. Dennoch erwartet der Politologe Georg Lutz ein «offenes Rennen» zwischen den beiden Kandidierenden von Rot-Grün um das Stadtpräsidium. «Der Bisherigen-Bonus ist bei Wahlen sehr stark», sagt er.
Kruit habe mit der SP zwar die grösste Berner Partei hinter sich, aber nicht die gleiche nationale Ausstrahlung wie etwa die Berner SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen.
Der Bisherigen-Bonus ist bei Wahlen sehr stark.
Vom Mitte-Rechts-Bündnis «Meh Farb für Bärn» gehen Melanie Mettler von der GLP und Janosch Weyermann von der SVP ins Rennen um das Stadtpräsidium, der SVP-Kandidat hat aber nur Aussenseiterchancen. Die Entscheidung wird wohl erst in einem zweiten Wahlgang fallen.
Fliegt der Stapi aus der Stadtregierung?
Der Stapi-Sitz von Alec von Graffenried wackelt jedoch auch, weil er zuerst überhaupt die Wiederwahl in die Stadtregierung, den fünfköpfigen Gemeinderat, schaffen muss. Dort werden heuer die Karten neu gemischt. Denn die bürgerlichen Parteien SVP und FDP haben sich mit der Mitte, EVP und der GLP zu einem grossen Bündnis zusammengeschlossen. Damit will Mitte-Rechts nach acht Jahren rot-grünem Powerplay wieder einen zweiten Sitz im Gemeinderat erobern.
Berner Wahlsystem bevorzugt grosse Blöcke
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Die Berner Gemeinderatswahlen sind Proporzwahlen. Das System bevorteilt grosse Blöcke. Das Rot-Grün-Mitte-Bündnis (RGM) kam 1992 an die Macht, weil sich eine breite Parteienallianz auf eine gemeinsame Liste verständigte.
Seit 2016 hält RGM sogar vier der fünf Sitze und ist gemessen an den Wähleranteilen übervertreten. Das neue Mitte-Rechts-Bündnis will dies nun ändern.
Die Ausgangslage ist besonders spannend, als mit Reto Nause (Mitte), Michael Aebersold (SP) und Franziska Teuscher (Grüne) gleich drei Bisherige abtreten.
Kandidierende Mitte-Rechts-Bündnis
Das Mitte-Rechts-Bündnis hat gute Aussichten auf zwei Sitze. Wer diese erringen kann, ist offen. Die besten Karten dürfte GLP-Nationalrätin Melanie Mettler haben.
Ein allfälliger zweiter Sitz könnte an Florence Pärli (FDP) oder Béatrice Wertli (Mitte) gehen. «Wertli hat leichte Vorteile, weil sie eine national bekannte Figur ist», sagt Politologe Lutz über die ehemalige Direktorin des Schweizerischen Turnverbands. Beide sitzen im Stadtparlament. Aussenseiterchancen haben die Kandidierenden von SVP und EVP.
Grün gegen Grün
Im linken Lager gelten Marieke Kruit (SP) und Nationalrat Matthias Aebischer (SP) als gesetzt. Sollte das rot-grüne Bündnis seinen Wähleranteil nochmals leicht steigern können, würden auch Alec von Graffenried (GFL) und die Stadträtin Ursina Anderegg (Grünes Bündnis) in die Stadtregierung gewählt.
Kandidierende Rot-Grün-Mitte
Verliert Rot-Grün einen Sitz, dürfte eine der beiden grünen Kandidaturen das Nachsehen haben. Für von Graffenried wäre die Nichtwiederwahl eine doppelte Niederlage, denn dann wäre er automatisch auch als Stapi weg vom Fenster.
Trotz Rücktritten sind Stadtrats-Sitze begehrt
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Um einen Sitz im 80-köpfigen Stadtparlament bewerben sich 534 Bernerinnen und Berner. Vor vier Jahren wählte das Volk das linkste und mit 70 Prozent Frauen auch das weiblichste Parlament der Schweiz. Im Lauf der Legislatur ist der Frauenanteil durch zahlreiche Rücktritte allerdings auf rund 58 Prozent gesunken.
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