In der Zeit der Industrialisierung, im Jahr 1858, wandte sich Karl Oederlin an den Aargauer Regierungsrat. Er wollte mit einem Wasserrad der Limmat die Maschinen in seiner Werkstatt antreiben. Oederlin stellte bei Baden Blech- und Messingwaren her. Er beschäftigte in jener Zeit über 100 Mitarbeiter.
Der Aargauer Regierungsrat erteilte ihm die Bewilligung. Eigentlich für immer. Man spricht von einem «ehehaften Recht». Darunter versteht man ein auf unbestimmte Zeit erteiltes Vorrecht, die Wasserkraft von Flüssen zu nutzen. Zuerst installierte Oederlin ein Wasserrad, später, im Jahr 1896 baute er ein Kleinkraftwerk.
«Ehehafte Rechte» sind veraltet und überholt
Die «ehehaften Rechte» stammen aus vorindustriellen Zeiten. Sie wurden früher vielen Wasserkraftwerken erteilt. Heute sind sie jedoch überholt, entschied das Bundesgericht vor fünf Jahren. Sie verletzten heutige Umweltstandards, sie sollten «bei erster Gelegenheit» abgelöst werden.
Die obersten Richter befassten sich mit dem Thema, weil der WWF gegen ein Wasserkraftwerk aus Zug vor Gericht zog. «Konkret hatten wir im Kanton Zug eigentlich kein Wasserkraftwerk, welches sich an die aktuelle Gesetzgebung hielt», sagt Daniel Heusser, Gewässerexperte beim WWF Schweiz.
Wegen der ehehaften Rechte wollten und mussten sich viele Kraftwerke nicht an die aktuelle Gesetzgebung anpassen.
Aufgrund ihrer «ehehaften Rechte» wurde das Wasserrecht bei manchen Kraftwerken faktisch privatisiert, so Heusser. Vor dem Entscheid des Bundesgerichts «wollten und mussten sich viele Kraftwerke nicht an die aktuelle Gesetzgebung anpassen.» Dies trotz Umweltproblemen. «Bei den meisten dieser kleinen Anlagen hatte es unterhalb der Flüsse oder Bäche nicht mehr genug Wasser für die Fische und die Insekten.»
«Aufwand zu gross für die Kleinen»
Doch: Ein altes, kleines Wasserkraftwerk an die modernen Umweltgesetze anzupassen, sei gar nicht so einfach, sagt Martin Bölli, Geschäftsleiter des Verbands der Kleinwasserkraftwerke Swiss Small Hydro. «Gerade bei sehr kleinen Kraftwerken kann dies zur Folge haben, dass der Aufwand, eine neue Konzession zu erlangen, viel zu gross ist, als dass sich dies über den Betrieb wieder kompensieren liesse.»
Wie viele kleine Werke betroffen sind, ist nicht klar. Von mehreren Hundert ist die Rede. Diese Werke brauchen, wenn sie weiter Energie produzieren wollen, eine neue Konzession. Das hat für viele grosse Konsequenzen. «Einzelne Kraftwerke haben den Betrieb eingestellt, andere haben eine neue Konzession erhalten», sagt Bölli. «Doch viele verhalten sich passiv, weil sie befürchten, dass sie ihr Wassernutzungsrecht verlieren könnten.»
Bis ins Jahr 2030 will der Bund die negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung noch einmal deutlich reduzieren. Es sieht so aus, als würden Kleinstkraftwerke wohl mehr und mehr verschwinden.
Kraftwerk Oederlin soll bleiben, aber ohne Strom
Genau so ist es beim eingangs erwähnten Kraftwerk Oederlin an der Limmat bereits geschehen. Im Aargauer Amtsblatt wurde Mitte Oktober publiziert, dass das Kleinkraftwerk endgültig stillgelegt worden sei. Zuletzt versorgte es rund 100 Haushaltungen mit Strom.
Ein Rückbau sei nicht möglich. Das Kraftwerk muss aus Sicht des Denkmalschutzes mitsamt seiner Maschinen und der Insel «als industriegeschichtliches Zeugnis erhalten und die Logik des Kraftwerks erkennbar bleiben».