Ihre Blütezeit erlebten sie während der Industrialisierung. Sie standen an Bächen, Flüssen und Kanälen und trieben Spinnereien oder Mühlen an: kleine Wasserkraftwerke. Später wurden sie für die Stromerzeugung umgebaut.
Heute sind viele dieser Kraftwerke in die Jahre gekommen und kosten mehr, als sie einbringen. Zudem laufen ihre Konzessionen aus. Dann treffen verschiedene Interessen wie Stromproduktion, Unterhaltskosten und historische Aspekte aufeinander, wie ein Beispiel im Kanton Aargau zeigt.
Zwischen Murgenthal und Rothrist stehen am Rotkanal drei Kleinkraftwerke. Das grösste gehört zu einer alten Spinnerei. Der Kanal wurde um 1650 als Bewässerungssystem für die Landwirtschaft gebaut. Er führt das Wasser der Murg durch die Gemeinden Murgenthal und Rothrist in die Aare.
Uralter Generator macht Ökostrom
Das Wasser des Kanals treibt heute in Rothrist Turbinen an, die Strom für 140 Haushalte liefern. Der Generator stammt aus dem Jahr 1944. «Der Kanal ist alt, die Spinnerei ist alt, wir machen Ökostrom. Das ist ein Kulturgut», sagt Willy Hofer, Mitbesitzer des Kraftwerks. Doch der Unterhalt des Kanals ist teuer. Der Kanton und die Gemeinden Rothrist und Murgenthal zahlen dafür jährlich 140'000 Franken.
Hofers Kraftwerk läuft dank einer Zwischenlösung, einer Duldungsverfügung des Kantons. Die Konzession für das Kraftwerk ist nach 40 Jahren nämlich abgelaufen. Bisher durften 1800 Liter Wasser pro Sekunde durch den künstlichen Kanal und das Kraftwerk fliessen. Das möchte der Kanton unterbinden. «Weniger Wasser bedeutet weniger intensiven Unterhalt», begründet Susette Burger vom Kanton Aargau.
Auch die Gemeinde Murgenthal möchte weniger Wasser durch den Kanal fliessen lassen. Für den Gemeinderat ist er ein Hochwasserrisiko für die Region. Wenn es stark regnet, könnte der Damm des am Hang gelegenen Kanals brechen und eine Überschwemmung auslösen.
Museum oder Stromproduktion?
Kraftwerkbesitzer Willy Hofer teilt die Angst vor dem Hochwasser nicht. Er findet es gut, wenn das Gewässer richtig fliesst. So könne der Biber keine Dämme erstellen. «Biberbauten wären ein echtes Hochwasserproblem», meint er. Zudem würde sich eine Stromproduktion ohne die grossen Wassermengen nicht mehr lohnen, gibt er zu bedenken.
Der Energieaspekt stehe für den Kanton nicht im Vordergrund, sagt Susette Burger von der Abteilung Gewässer beim Kanton. Aufwand und Stromproduktionsertrag stünden in keinem Verhältnis.
Der Kanton sieht den Kanal eher als «Freilichtmuseum». Bewässerungstechnik und Industriegeschichte könnten hier anschaulich erzählt werden. Zudem seien die Bäume entlang des Kanals für die Umwelt wertvoll. Vögel und Insekten fühlten sich hier wohl.
Kein Einzelfall
Wie es weiter geht, ist unklar. Eigentlich wäre seit Januar eine neue Konzession nötig. Mit der Duldungsverfügung dürfen momentan weiterhin 1800 Liter Wasser pro Sekunde durch den Kanal fliessen. Aber der Gemeinderat von Murgenthal hat Einsprache gegen diese Verfügung gemacht. Nun liegt der Ball wieder beim Kanton. Dieser will noch genauer abklären.
Die komplizierte Konzessionsgeschichte von Murgenthal ist keine Ausnahme. Auch andere Kraftwerke, wie jenes in Rekingen am Rhein oder das Hetex-Kraftwerk am Aabach nach Lenzburg, laufen im Aargau dank Verfügungen ohne Konzession weiter. Und auch hier dauern die Abklärungen und Beschwerdeverfahren länger.