Familie Buchli im Safiental braucht einen neuen Anbau beim Stall. Sie züchtet eine seltene Schafsorte, und im Winter sei es bitterkalt, sagt die Berghilfe-Vertreterin im Spendenaufruf im Netz. Das ist das typische Berghilfe-Projekt: Die Unterstützung einer kinderreichen Bergbauernfamilie, die abgeschieden lebt und einen Landwirtschaftsbetrieb führt.
Doch brechen auch hier neue Zeiten an. Das merkt die Schweizer Berghilfe, denn sie erhalte immer mehr Gesuche für digitale Projekte, sagt Co-Geschäftsführerin Regula Straub: «Wir haben schon einige Projekte zur Digitalisierung unterstützt, auch Webshops, beispielsweise den Webshop eines Hirten in Tschiertschen. Er kann jetzt seine Trockenwürste im Internet verkaufen.»
Die Berghilfe habe auch schon ein Wlan-Netz in einem Hotel finanziert. Oder einem Dorfladen in den Freiburger Alpen das Überleben gesichert, wo man neuerdings dank einer digital vernetzten Türöffnung rund um die Uhr einkaufen kann.
Abwanderung aufhalten
Und es sollen noch mehr solche Projekte werden. Die Hoffnung ist, dass so Arbeitsplätze in den Bergregionen erhalten bleiben oder gar neue entstehen.
Die Digitalisierung als Heilsbringerin für unsere belebten Berggebiete: Diese Hoffnung beobachtet Reto Bürgin an vielen Orten. Der Wirtschaftsgeograf von der Universität Bern hat verschiedene digitale Projekte in den Bergen untersucht: «Die Chancen bestehen darin, dass physische Distanzen im digitalen Raum gleich null werden können. Es besteht auch die Möglichkeit, dass man die Fühler zu anderen Märkten ausstrecken kann.»
So könne man eben mit einem Webshop die alpine Wurst in der Stadt feilbieten. Oder man könne sogar noch einen Schritt weitergehen: Orts-ungebundene Dienstleitungsbetriebe könnten in Bergdörfer umsiedeln. Schnelle Datenautobahnen seien vielerorts bereits vorhanden. Mit alpinen Co-Working-Spaces, die bereits an vielen Orten am Entstehen sind, könnten digitale Nomaden in die Berge gelockt werden.
Auf zum «Silicon Mountain»
Das Bild, das die Berggebiete seien wirtschaftlich rückständig und gar innovationsschwach seien, müsse revidiert werden, sagt Bürgin: «Aus der Wissenschaft spricht aktuell viel dagegen, dass Berggebiete innovationsschwach sind. Es gibt einen Forschungsstrang, der sich damit beschäftigt, dass Unternehmerinnen und Unternehmer aus städtischen Gebieten die Berge wiederentdecken und dort aktiv werden.»
Auch sei schon vom «Silicon Mountain» die Rede, in Anlehnung an das Silicon Valley. Doch wenn solche Projekte dank digitaler Tools und Infrastrukturen möglich werden, wieso braucht es dann noch eine zusätzliche finanzielle Unterstützung durch die staatliche Wirtschaftsförderung oder durch die Berghilfe?
Einmal angeschlossen ans Internet haben alle die gleichen Startbedingungen, Stadt wie Bergdorf. Regula Straub von der Berghilfe widerspricht. «Es ist generell so, dass gerade Kleinunternehmen im Berggebiet viel weniger Reserven haben.» Wenn eine Investition anstehe, sei zu wenig Geld vorhanden.
Spenden für den alpinen Webshop
Zu wenig Geld für den neuen Stall. Zu wenig Geld für einen alpinen Webshop. Die Berghilfe will mit dem Thema Digitalisierung auch Spendengelder sammeln. Anstatt für die Bergbauernfamilie soll zukünftig für den alpinen Webshop gespendet werden? Straub von der Berghilfe lacht: «Hinter dem Webshop steckt auch ein Mensch, oder eine Familie mit vielen Kindern.»
Und weil in den vergangenen Monaten viele Menschen im Homeoffice arbeiteten, sei das Verständnis für die digitale Förderung grundsätzlich gewachsen und ein Spendenthema geworden.