Die Vorreiterin: In verschiedenen Schweizer Firmen wird schon seit ein paar Jahren auf freiwilliger Basis analysiert, wie weit die Löhne von Frauen und Männern auseinanderliegen. Zum Beispiel haben sich Novartis, Swisscom und SBB einer solchen Analyse gestellt. Unter anderem wegen Kathrin Amacker. Die ehemalige CVP-Nationalrätin hat sich in allen drei Unternehmen auf Geschäftsleitungsebene für ein solches Programm eingesetzt.
Novartis zum Anfang: Als Amacker vor 15 Jahren bei Novartis zur Beauftragten für Chancengleichheit wurde, war sie eine der ersten in der Privatwirtschaft. Der Pharmakonzern war eines der fortschrittlicheren Unternehmen in der Schweiz. Über ein Fünftel des Kaders waren bereits damals Frauen. Doch über Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen wurde noch nicht gesprochen. Der Vorstoss, die Firma einer Lohnanalyse zu unterziehen, sei in der Geschäftsleitung anfänglich umstritten gewesen. Denn man habe auch Risiken für die Firma gesehen: «Man weiss am Anfang nicht, was am Ende herauskommt: Gibt es ein Defizit? Soll oder muss man nachbezahlen? Gibt es eine Klage?»
Eine glasklares Resultat: Tatsächlich hat die Analyse an den Tag gebracht, dass eine ganze Reihe Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt wurde: «Am Ende des Tages hatten wir 900 Frauen, die korrigiert werden mussten. Kostenpunkt: drei Millionen Franken.» Das ist für den Weltkonzern Novartis kein riesiger Betrag. Aber einzugestehen, dass es Defizite bei der Lohngleichheit gibt, war dennoch nicht einfach. Es folgten lange Diskussionen, wie diese «frohe Botschaft» übermittelt werden soll, die ja auch etwas Negatives mit sich führte. In einer sehr offenen Kommunikation seien alle Frauen angeschrieben worden. Es habe keine einzige Klage gegeben.
Wir haben sehr offen alle betroffenen und anderen Frauen angeschrieben. Es gab keine einzige Klage.
Ein runder Tisch: Der Erfolg bei Novartis liess sich nicht sofort schweizweit kopieren. Denn obwohl Amacker einige Jahre später, eingeladen vom Bundesrat, zusammen mit anderen Wirtschaftsleuten einen nationalen Lohngleichheitsdialog initiierte, liessen sich nur wenige Unternehmen überzeugen, dort freiwillig mitzumachen. Der runde Tisch wurde mangels Beteiligung nach fünf Jahren wieder abgeschafft.
Gegen Zwang: Freiwilligkeit ist der bürgerlichen Managerin wichtig. Sie ist froh, dass sich das Parlament heute wieder mit der Frage beschäftigt hat und erhofft sich dadurch neue Dynamik für das Thema Lohngleichheit. Aber die ehemalige CVP-Nationalrätin ist gegen eine gesetzliche Pflicht zur Lohntransparenz. Für die Unternehmenskultur, aber auch die Gesellschaft sei es wertvoller, wenn sich die Firmen freiwillig bewegten. Auch wenn es dafür viel Überzeugungsarbeit brauche. Wie zum Beispiel bei der Swisscom, wo sie einige Jahre engagiert war.
Transparenz und Glaubwürdigkeit: Aber auch heute bei der SBB, in deren Konzernleitung Amacker sitzt. Die SBB habe den Prozess der Lohnanalyse dann aber sogar zertifizieren lassen. Sie muss also Aussenstehenden Einblick in den Prozess gewähren. «Es ist auch immer gut, wenn man nach aussen belegen kann, dass auch andere das analysieren dürfen. Das gibt dann eine grössere Glaubwürdigkeit, als wenn man sagt, man habe das intern einmal füreinander angeschaut», sagt Amacker und rät zur Nachahmung. Denn es stehe viel Arbeit an: Immer noch verdienen Männer in einigen Berufen aus unerklärlichen Gründen rund 10 Prozent mehr als Frauen – für die gleiche Arbeit.