Was ist passiert? Gegen den Berner Regierungsrat Pierre Alain Schnegg wurde eine Strafanzeige eingereicht. Der Gesundheits- und Sozialdirektor habe in einem Zeitungsinterview mit den Tamediazeitungen gegen die Rassismusstrafnorm verstossen, so der Vorwurf. Diese Strafnorm schützt Menschen vor Diskriminierung. So ist es beispielsweise strafbar, eine Gruppe von Menschen aufgrund ihrer Rasse oder Ethnie in der Öffentlichkeit herabzusetzen.
Um welche Aussagen geht es? Es geht um Aussagen, die Pierre Alain Schnegg (SVP) im Mai gemacht hat. Der Schutzstatus S werde «vermehrt missbraucht». Vor allem Roma kämen in die Schweiz, «und viele davon sprechen weder Ukrainisch noch Russisch», sagte er damals im Zeitungsinterview. Die «Neuankömmlinge» würden «sicherlich oft von Organisationen missbraucht», und wenn sie das Geld aus der Asylsozialhilfe erhalten haben, seien sie wieder weg».
Wird nun gegen Pierre Alain Schnegg ermittelt? Vorerst wird nicht ermittelt. Denn: Wird im Kanton Bern ein Regierungsmitglied angezeigt, kann die Staatsanwaltschaft nicht einfach mit den Ermittlungen starten. Sie benötigt dazu die «Ermächtigung» des Kantonsparlaments. Erst wenn das Parlament zustimmt, darf die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnehmen. So ist es auch in anderen Kantonen geregelt: zum Beispiel Zürich, St. Gallen, Aargau, Solothurn oder Wallis.
Was passiert nun? Im Fall von Pierre Alain Schnegg entscheidet nun das Berner Kantonsparlament am 25. November, wie die Tamediazeitungen schreiben. Das Büro des Grossen Rates hat sich bereits zur Causa geäussert: Es beantragt beim Parlament, der Staatsanwaltschaft keine Ermächtigung zu erteilen, die Anzeige weiterzuverfolgen. Anzeigen gegen Regierungsmitglieder sind übrigens selten. Auf Anfrage von SRF News kann sich das Generalsekretariat des Grossen Rates an keinen anderen Fall erinnern.
Wie argumentiert das Büro des Grossen Rates? Es gebe nicht «genügend Hinweise», dass Pierre Alain Schnegg mit seinen Äusserungen eine Person oder eine Gruppe von Personen diskriminiert habe, schreibt das Büro im Antrag. Es habe keine Pauschalaussagen gegeben. Ausserdem sei die Funktionsfähigkeit der Regierung wichtiger als das Interesse an einer Strafverfolgung.
Was sagt Pierre Alain Schnegg? Der Berner Gesundheits- und Sozialdirektor sieht «keine Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung», wie er in einer Stellungnahme zuhanden des Grossen Rats schreibt. Er habe keine Pauschalvorwürfe gegenüber Roma geäussert. Seine Aussagen hätten sich nur auf gewisse Roma-Angehörige bezogen und stützten sich auf Beobachtungen.