Am 24. März 2020 war der Unterschied zwischen den Zahlen des Bundes und der Kantone besonders frappant: Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) veröffentlichte um 12:15 Uhr die Zahl von 86 am Coronavirus Verstorbenen – auf den meisten Medienportalen waren es jedoch bereits über 110 oder sogar 120. Der Grund dafür ist beim Föderalismus zu suchen – aber nicht nur.
Für die Öffentlichkeit publizieren die meisten Kantone die Anzahl Fälle und verstorbener Personen auf ihren Webseiten. Ein einheitliches Format und einen festen Zeitpunkt gibt es dafür jedoch nicht. Gleichzeitig erhält das BAG Meldungen von Ärzten und Laboratorien in Form von Formularen, die mühsam digitalisiert werden müssen, wie SRF letzte Woche berichtete. Ein Rückstand auf die Daten der Kantone liegt somit gewissermassen in der Natur der Sache.
Dazu kommen noch Angaben von auswärtigen Stellen wie der Johns-Hopkins-Universität in den USA, die von vielen Medien für internationale Vergleiche verwendet wird. Verfolgt man die eigentliche Datenquelle für die Schweizer Angaben, die dort gemacht werden, landet man auf einer Grafik der Tamedia-Titel.
Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt und von welcher Quelle man sich die Daten holt, unterscheiden sich somit die Fallzahlen. Eine Übersicht, die gleichzeitig umfassend, zeitnah und behördlich autorisisiert ist, gibt es derzeit und auf absehbare Zeit nicht. In dieser Hinsicht ist die Schweiz auf die Coronavirus-Epidemie schlecht vorbereitet.
Abhilfe schaffen könnte nun ein teils auf Freiwilligenarbeit basierendes Projekt des Statistischen Amtes Kanton Zürich. Auf der Entwicklerplattform Github sammeln mehrere Dutzend Personen aus der Verwaltung, Forschungseinrichtungen und Private die Daten der einzelnen Kantone zusammen. Teils automatisiert über Programme, teils händisch.
Die Daten werden mehrmals täglich aktualisiert, Fehler und Korrekturen werden laufend auf Twitter kommuniziert. Und: Die Daten werden nach einem strikt definierten Datenmodell veröffentlicht, was die Verlässlichkeit stark erhöht und automatisierte Grafiken und Live-Dashboards erst ermöglicht. So sind auch Forschende aus der Epidemiologie an den Daten interessiert, wie ein Blick in die Kommentare der Online-Plattform zeigt.
Anders beim BAG: Dort fehlen Erläuterungen zur Datenerhebung und beispielsweise zum Grund, wieso das BAG seit dem Samstag auch nicht durch das Referenzlabor bestätigte Fälle veröffentlicht. Auf der Webseite und in den ausschliesslich als PDF publizierten Situationsberichten sind solche Angaben nicht zu finden.
Aktuelle Zahlen und Entwicklungen sind wichtig, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verfolgen und Massnahmen auf ihren Erfolg zu prüfen. Obwohl der Föderalismus in Daten-Hinsicht aktuell eher hinderlich scheint, zeigt das Projekt des Kantons Zürich, wie Behörden, Forschung und Zivilgesellschaft in Krisensituationen doch relativ unkompliziert zusammenarbeiten und Lösungen schaffen können.