Der Unmut der Gläubigen gegenüber den Kirchenoberen wächst, auch im stark katholisch geprägten Kanton Luzern: Die Kirchgemeinde Adligenswil – die knapp 3000 Katholikinnen und Katholiken vertritt – hat beschlossen, keine Kirchensteuer mehr ans Bistum Basel abzuliefern.
Die Pfarrei zahlt die rund 12'000 Franken pro Jahr vorläufig auf ein Sperrkonto ein. Und ruft alle Kirchgemeinden in sämtlichen Bistümern der Schweiz auf, ihrem Beispiel zu folgen.
Wir wollen, dass etwas passiert.
Der Steuerboykott steht in Zusammenhang mit einer jüngst veröffentlichten Pilotstudie, die über tausend Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche seit 1950 nachweist.
Als «beschämend und bedrückend» bezeichnet dies Monika Koller, Kirchenratspräsidentin in Adligenswil. «Wir haben von der Kirche nun viele Lippenbekenntnisse gehört zur Aufarbeitung – aber wir wollen, dass nach diesen Worten auch tatsächlich etwas passiert.»
Konkret verlangt die Kirchgemeinde unter anderem, dass eine unabhängige, professionelle Ombudsstelle geschaffen wird, an die sich Missbrauchsopfer wenden können. Zudem sollen sämtliche Akten in einem staatlichen Archiv aufbewahrt werden.
Wie wollen kein Bistum mitfinanzieren, das nur zuschaut und nicht handelt.
Diese Forderungen sind nicht neu, ihre Kirchgemeinde wolle ihnen aber zusätzlichen Nachdruck verleihen, so Koller: «Wir wollen kein Bistum mitfinanzieren, das nur zuschaut und nicht handelt.»
Bislang hat sich noch keine weitere Pfarrei dem Steuerboykott angeschlossen. Sie habe aber zahlreiche positive Rückmeldungen erhalten, sagt Monika Koller. «In mehreren Kirchgemeinden wird das an den kommenden Sitzungen ebenfalls Thema sein. Wenn so mehrere kleine Beträge zusammenkommen, wird das Bistum dies schon zu spüren bekommen.»
Gemischte Gefühle bei der Kantonalkirche
Das Bistum Basel nimmt über seine Pfarreien jährlich knapp 4 Millionen Franken ein. Dieses Geld fliesst allerdings nicht direkt von Kirchgemeinden in die Bistumskasse, sondern über die Kantonalkirchen, die zum Bistum Basel gehören.
Bei der Landeskirche Luzern nimmt man den Steuerboykott mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis. «Für unsere Behörde ist das schwierig, wir müssen jetzt schauen, wie wir damit umgehen», sagt Annegreth Bienz, Präsidentin des Synodalrats, der Exekutive der römisch-katholischen Landeskirche.
Es brodelt bei der Basis.
Sie sagt aber auch: «Es brodelt bei der Basis, und das verstehen wir. Die Menschen wollen, dass jetzt etwas passiert in der Kirche. Hinter diesen Forderungen stehen auch wir.»
Schon bei Bischof Haas kam es zum Steuerboykott
Ob Kirchgemeinden ihre Steuerbeiträge ans Bistum tatsächlich aussetzen können, ist kirchenrechtlich nicht wirklich geregelt. Aber: «Wenn eine Pfarrei zu dieser Massnahme greift, kann das Bistum sich schlecht dagegen wehren, denn häufig fehlen hier bindende Vereinbarungen zwischen Bistümern und Kantonalkirchen», sagt Markus Ries, Professor für Kirchengeschichte an der Universität Luzern.
Gegen eine solche Massnahme kann sich ein Bistum schlecht wehren.
Zum Kirchensteuerboykott im grossen Stil kam es in der Schweiz erst einmal: Von 1990 bis 1997 lieferte die Zürcher Kantonalkirche ihre jährlich rund 400'000 Franken nicht an das Bistum Chur ab – weil sie mit dem konservativen Bischof Wolfgang Haas nicht einverstanden war.
«Das war in erster Linie eine symbolische Aktion, Chur hat dann anderswo nach Geld gesucht», sagt Markus Ries. «Letztlich war die Aktion aber erfolgreich: Bischof Haas wurde versetzt.»