Die meisten Menschen sind wohl schon einmal an einem grauen Blitzer am Strassenrand vorbeigefahren, aber nur wenige sind wohl schon seinem Pendant aus der Luft begegnet: einer «Blitzerdrohne». Im Einsatz steht diese im Kanton Thurgau. Sie setzt seit einigen Jahren Fluggeräte ein, um Raser zu überführen und gilt damit als Pionierin auf diesem Gebiet.
Die Methode ist in der Schweiz noch relativ neu und stösst auf Kritik. Nun hat sich das Thurgauer Obergericht erstmals mit Drohnenaufnahmen als Beweismittel gegen Raser befasst.
131 km/h zu schnell
Ein 48-jähriger Motorradmechaniker wurde im September 2022 mit seinem Töff in einer 80er-Zone mit 211 km/h gemessen - mit einer Drohne der Kantonspolizei Thurgau. Beim Beschleunigen hob das Vorderrad vom Asphalt ab - es kam zu einem sogenannten Wheelie.
Ein Jahr später verurteilte das Bezirksgericht Frauenfeld TG den Töfffahrer wegen qualifizierter grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten und einer Busse von 2200 Franken. Er zog das Urteil an das Obergericht weiter, weil er den Einsatz der Drohne für unzulässig hielt und verlangte einen Freispruch.
Aber auch die zweite Instanz entschied am 23. April 2024, dass die Drohne nicht unter die Bestimmungen der Strassenverkehrskontrollverordnung falle, da sie die Geschwindigkeit nur aufzeichne und nicht direkt messe. Die Geschwindigkeitsberechnung durch die Polizei sei somit rechtmässig gewesen, schreibt das Obergericht in seinem begründeten Urteil, das SRF vorliegt.
Zudem sei es unter den gegebenen Umständen zulässig gewesen, dass die Polizei im Rahmen eines Strafverfahrens mit einer Drohne Videoaufnahmen mache. Dies entspreche auch dem Thurgauer Datenschutzgesetz.
Man sei mit dem Urteil sehr zufrieden, sagt der Staatsanwalt und Mediensprecher Fabian Mörtl gegenüber SRF. Das Obergericht habe in seinem Urteil die Haltung der Staatsanwaltschaft in zwei Punkten bestätigt. «Erstens hat es gesagt, dass die Ermittlungen wegen Raserei mittels Drohnen zulässig und die Videoaufnahmen verwertbar sind. Zweitens hat das Obergericht auch die Weg-Zeit-Berechnung bestätigt, die anhand der Videoaufnahmen der Raserfahrt im vorliegenden Fall vorgenommen wurde.»
Konkret schreibt das Obergericht in seinem Urteil, dass für die Berechnung der Geschwindigkeit lediglich Zeit und Weg benötigt werden, was auf dem Video ersichtlich sei. Der Entscheid des Obergerichts Thurgau ist noch nicht rechtskräftig. Ob der Angeklagte das Urteil an das Bundesgericht weiterzieht, ist noch offen. Die Frist dafür läuft noch.
Kritik an Drohne
Der Fall des 48-Jährigen ist einer von mindestens drei Fällen von Raserdelikten, die im Kanton Thurgau mit Drohnen gemessen wurden und derzeit vor Gericht verhandelt werden. In einem anderen Fall geht es um den Mandanten von Rechtsanwalt Stefan La Ragione. Dieser soll statt mit 80 km/h mit 175 km/h gefahren sein und wurde ebenfalls von einer Drohne gemessen.
La Ragione kritisierte letztes Jahr gegenüber SRF die Luftbildmessung als nicht repräsentativ. «Die Berechnung hält nicht stand, weil die Position der Drohne nicht berücksichtigt wird. Die Eigenbewegung, die Blickwinkel, die Perspektive der Drohne in Bezug auf den Festpunkt Fahrstrecke – das hält nicht stand. Schon gar nicht mit einem Zeitmessgerät, das nicht geeicht ist.».
Der Fall seines Mandanten ist noch hängig und wird voraussichtlich im Herbst verhandelt.