Abgesehen von den Grenzen steht in der Schweiz bereits am Samstag der nächste Lockerungsschritt an. Was erlaubt ist und was nicht, und wie gut unser Land die Coronakrise bisher bewältigt hat – all das erklärt Bundesrat Alain Berset.
SRF News: Herr Bundesrat, am Samstag erfolgt ein grosser Lockerungsschritt. Fast alles wird wieder möglich. Jetzt gibt es dazu auch neue, blaue Plakate. Warum blau?
Alain Berset: Blau ist eine Weiterentwicklung der Informationskampagne. Ich bin sehr froh, dass wir am Samstag diesen Schritt machen können. Das Plakat erklärt auch, dass nun neue Regeln gelten.
Kann ich mich so schnell wie möglich testen lassen, wenn ich nur die geringsten Symptome habe?
Ja, unbedingt. Die Ärztinnen und Ärzte haben seit mehreren Wochen die Anweisung, das zu tun.
Wenn ich mit einer Gruppe Leute draussen bin und den Abstand von zwei Metern nicht einhalte: Kann ich dann immer noch eine Busse bekommen?
Nein. Aber es ist natürlich nach wie vor in der Eigenverantwortung von allen, aufzupassen. Aber eine Busse gibt es dafür nicht.
Wenn ich nach Italien reisen will: Darf ich das?
Rein technisch können Sie, aber wir raten dringend davon ab.
Wenn ich als Veranstalter eine Demonstration mit 200 Leuten organisiere, ich aber kein Schutzkonzept dafür erarbeitet habe: Mache ich mich strafbar?
Ja, das geht nicht. Es ist vor allem auch gefährlich. Es braucht ein Schutzkonzept, Distanzhalten ist wichtig. Wenn das nicht möglich ist, sollen Masken getragen werden. So oder so muss man eine Liste der Personen machen, damit man Leute finden kann, wenn eine Person erkrankt ist.
Verzichten Sie bitte aufs Händeschütteln!
Aber bei Demonstrationen ist es ja nicht möglich, eine Liste der Personen zu machen?
Ja gut, das stimmt. Es ist eine Gratwanderung zwischen der Wahrung der politischen Rechte und dem Bestreben, keine unnötigen Risiken für die Gesellschaft einzugehen.
Gibt es etwas, das ältere Leute und weitere Angehörige der Risikogruppe immer noch nicht tun dürfen?
Nein, es ist eine Rückkehr zur neuen Normalität. Das heisst: Aufpassen, Distanz halten und wenn das nicht möglich ist, eine Maske tragen. Auch Händewaschen bleibt eine sehr wichtige Massnahme. Und verzichten Sie bitte aufs Händeschütteln! Man muss weiterhin zu nahe Kontakte vermeiden. Das ist nicht lustig und nicht einfach. Aber es hilft uns sehr, die Epidemie unter Kontrolle zu halten.
Das heisst also, die Älteren dürfen jetzt alles wieder machen, was die anderen auch dürfen?
Ja. Man muss situativ handeln. Die Situation ist heute viel besser als im März, damals mussten wir die älteren Leute schützen. Wir wussten nicht, was das Virus macht. Heute können wir anders vorgehen.
Wir waren mehr als eine Gesellschaft, wir waren eine Gemeinschaft, die die Krise zusammen gemeistert hat.
Der deutsche Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt hat einmal gesagt: «In der Krise beweist sich der Charakter.» Was haben Sie in der Krise über den Charakter der Schweizerinnen und Schweizer gelernt?
Eigenverantwortung! Das bedeutet aber nicht, nur für sich zu schauen, sondern auch für die anderen, das hat mit Solidarität zu tun. Wir waren als Gesellschaft in der Schweiz in den letzten Monaten sehr gut unterwegs. Es war eindrücklich für mich zu sehen, wie gut es funktioniert hat. Wir waren mehr als eine Gesellschaft, wir waren eine Gemeinschaft, die die Krise zusammen gemeistert hat.
Und was haben Sie über Ihren eigenen Charakter gelernt?
Es ist schon eine spezielle Situation, man weiss vorher nie, wie man reagiert. Es war mir wichtig, meinen Job mit vollem Engagement machen zu können mit meinem Team, und ich bin nach wie vor da, ich habe es überlebt in meiner Funktion. Das weiss man vorher nie.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.