- Der Nationalrat hat bei der Revision der Invalidenversicherung (IV) erste Entscheide gefällt.
- Jugendliche und Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen werden besser integriert.
- Die umstrittene Kürzung der Kinderrente ist noch nicht beschlossen.
Eines gab Christian Lohr (CVP/TG) seinen Ratskollegen zu Beginn der Debatte auf den Weg: Man werde über viele Zahlen sprechen, dahinter stünden aber immer einzelne Schicksale. «Wir sprechen von Menschen.» Zum ersten Mal gehe es bei einer IV-Revision ums Optimieren und nicht ums Sparen.
Oder doch sparen?
Trotzdem tauchte das Thema in der Debatte immer wieder auf. So widersprach die FDP dem Bundesrat bezüglich des finanziellen Zustands der IV: «Sie steckt strukturell noch tief in den roten Zahlen», sagte Bruno Pezzatti (FDP/ZG). Nur eine nachhaltig schuldenfreie IV sei eine sichere IV. Einsparungen seien darum nötig.
Ins gleiche Horn stiess Verena Herzog (SVP/TG). Sie kritisierte, dass der Bundesrat die Leistungen ausbauen wolle. Es brauche vielmehr Massnahmen, um Fehlanreize zu vermeiden. Es dürfe unter anderem nicht sein, dass eine Familie mit IV-Rente besser dastehe als eine ohne.
Auch die CVP war der Meinung, dass die IV keine weiteren Schulden anhäufen solle. Massnahmen müssten sicherstellen, dass sich Arbeit immer lohne, erklärte Ruth Humbel (CVP/AG).
Anders sah dies die Ratslinke. Maya Graf (Grüne/BL) kritisierte: «Es ist unverständlich, dass die finanziellen Aussichten der IV von der bürgerlichen Mehrheit so rabenschwarz dargestellt werden», und dass die Kürzung der Kinderrenten und die Streichung der Reisekosten damit begründet würden.
Kinder, Jugendliche und psychisch Kranke im Visier
Einigkeit herrschte, dass man die Integration von Jugendlichen und psychisch Beeinträchtigten fördern müsse. Bisherige Reformen hätten wenig Wirkung gezeigt.
Jugendliche müssten vor einer lebenslangen IV-Karriere bewahrt werden, denn: «Wenn man einmal in dieser IV-Mühle ist, kommt man sehr schwer wieder raus», sagte Verena Herzog (SVP/TG).
Silvia Schenker (SP/BS) fügte an: «Tun wir das nicht, bezahlen nicht nur die Jugendlichen einen hohen Preis.» Auch das System der sozialen Sicherheit werde mit hohen Folgekosten belastet.
Der Nationalrat beschloss darum, dass:
- Jugendliche bereits ab dem 13. Altersjahr der IV gemeldet werden können, um Unterstützungsmassnahmen zu ergreifen.
- neu auch Personen, die von einer länger dauernden Arbeitsunfähigkeit bedroht sind, der IV gemeldet werden sollen.
- Jugendliche bis zum 25. Altersjahr Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen ins Erwerbsleben haben.
- die Taggelder für junge Erwachsene neu nach Alter abgestuft dem Lohn von Lernenden angepasst werden, um den Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu steigern.
- mit einem Personalverleih Arbeitgeber ohne finanzielles Risiko mögliche Angestellte kennenlernen sollen.
- die Bezugsdauer für Taggelder der Arbeitslosenversicherung verlängert werden soll, um die Vermittlungschancen nach dem Wegfall der IV-Rente zu erhöhen.
Umstrittene Punkte sind noch offen
Über die umstrittenen Punkte wie die Einführung eines stufenlosen Rentensystems, die Einführung des Begriffs «Zulage für Eltern» sowie die Kürzung der Kinderrenten wird am Donnerstagmorgen abgestimmt. Die Mitteparteien sind in dieser Frage gespalten, FDP und SVP sind dafür. Die Sparer haben rechnerisch die besseren Karten.