Der 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich seit der Entdeckung des Virus vor über 40 Jahren stark verbessert, sodass Betroffene heute mit dem Virus leben können. Bei Loris* (31) wurde die Infektion mit dem HI-Virus vor rund zehn Jahren festgestellt.
SRF News: Welche Medikamente nehmen Sie zu sich?
Loris: Ich nehme eine einzelne Tablette pro Tag, jeweils am Morgen. Das Medikament heisst Dovato. Zuvor habe ich zwei andere Medikamente eingenommen.
Gibt es Nebenwirkungen?
Nein. Die hatte ich nie.
Wie hat sich die Infektion denn zu Beginn bemerkbar gemacht?
Man spürt das. Die Virenlast ist zu Beginn nach einer Ansteckung noch extrem hoch, der Körper kann sich noch nicht gegen das Virus wehren und das Immunsystem ist geschwächt. Ich hatte zu Beginn Grippesymptome, die auch mit Gewichtsverlust einhergingen.
Wie schränkt die Ansteckung Sie heute im Alltag ein?
So gut wie gar nicht. Ich muss einfach daran denken, jeden Tag die Tablette zu nehmen. Ich gelte als sogenannter U=U-Fall (siehe Box). Ich kann das Virus also nicht weitergeben.
Und darüber hinaus?
Alle drei bis sechs Monate gehe ich zur Blutbildanalyse. Da wird geprüft, ob die Laborwerte noch in Ordnung sind. Zum Teil wird auch meine Knochendichte gemessen. Insgesamt bin ich sehr gut überwacht.
Wann haben Sie von Ihrer Diagnose erfahren?
Am 14. Juli 2014, bei einem regulären Check-Up für Geschlechtskrankheiten.
Wie wurden Sie unterstützt?
Die Menschen vom Checkpoint Zürich haben mir sehr geholfen. Gleich nach meiner Diagnose habe ich einen Workshop der Aids-Hilfe Schweiz besucht, bei dem ich mich mit anderen Betroffenen austauschen konnte. Dieser wurde leider nach zwei, drei Ausgaben von politischer Seite gestrichen. Da sieht man die strukturelle Homophobie.
Wie begegnen Ihnen die Menschen denn? Erleben Sie Stigmatisierung?
Die gibt es. Ganz klar. Vor allem aber ist sehr viel Unwissen vorhanden – auch in LGBTQI-Kreisen. Wissen ist etwas, das man sich holen muss.
Zu Beginn habe ich mir das Stigma vor allem selbst auferlegt. Das ist die soziale Konditionierung in unserer Gesellschaft. Es war ein grosser Schritt, mich davon zu befreien.
Für mich sind diejenigen Gespräche die schwierigsten, bei denen das Gegenüber betroffener ist als ich selbst.
Heute gehe ich grundsätzlich sehr offen mit meiner Ansteckung um. Aber es gibt immer noch Situationen, in denen ich mich gehemmt fühle. In nicht-schwulen Kreisen etwa fühle ich mich eher unsicher. Da oute ich mich nicht. Auch gegenüber gewissen Familienmitgliedern erzähle ich nichts von meiner Ansteckung. Was mich besonders ärgert: In manchen Situationen werde ich gezwungen, mich zu outen. Etwa, wenn ich bei einem Arzttermin nach meinem Status gefragt werde. Die dürften das eigentlich gar nicht abfragen; tun es aber trotzdem.
Was möchten Sie den Menschen mitgeben?
Für mich sind diejenigen Gespräche die schwierigsten, bei denen das Gegenüber betroffener ist als ich selbst. Das geht oftmals auf fehlendes Wissen zurück. Eine Infektion mit dem HI-Virus ist heute sehr gut behandelbar – ähnlich wie etwa Diabetes. PrEP (siehe Box) hat zudem ganz neue Möglichkeiten geschaffen. Der Bund müsste meiner Meinung nach mehr tun, um die Menschen darüber aufzuklären. Es darf keine Berührungsängste geben.
Das Gespräch führte Patrick McEvily.
* Name der Redaktion bekannt.