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Weltklimakonferenz COP29 Welche Ziele verfolgt die Schweiz in Baku, Herr Rösti?

An der UNO-Weltklimakonferenz COP29 unter dem Vorsitz von Gastgeber Aserbaidschan wird unter anderem darüber gestritten, wie stark die Finanzflüsse an Entwicklungsländer aufgestockt werden sollen. Mehrere Staaten hatten am Donnerstag Gelder in Billionenhöhe bis ins Jahr 2035 gefordert. Bundesrat Albert Rösti weilt für die Verhandlungen in Baku und beurteilt im Gespräch mit SRF den Stand der Dinge.

Albert Rösti

Bundesrat

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Albert Rösti ist seit 2023 Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departments für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Er wurde 1967 geboren, studierte Agronomie an der ETH Zürich, erlangte 1997 den Doktortitel und machte 2001 und 2002 einen Master of Business Administration (MBA) an der Universität Rochester in den USA. Rösti war seit 2011 Nationalrat für den Kanton Bern und von 2016 bis 2020 Parteipräsident der SVP Schweiz.

SRF News: Welches finanzielle Ziel wird am Ende dieser Konferenz zustande kommen?

Albert Rösti: Ich kann zu diesem Zeitpunkt der Verhandlungen nicht über ein konkretes Ziel oder eine konkrete Zahl sprechen. Ich kann nur sagen, dass die Erwartungen der Entwicklungsländer von 1.3 Billionen Franken eine Verdreifachung unserer Entwicklungshilfe bedeuten würde. Das ist wirklich jenseits von Gut und Böse.

Hat die Schweiz nicht auch eine historische Verpflichtung, so wie das die Umweltverbände sagen?

Dieser Verpflichtung kommen wir nach, indem die Schweiz schon heute mit 700 Millionen pro Jahr im Vergleich zu anderen Ländern proportional mehr an den Klimaschutz beiträgt, als von ihr erwartet werden kann. Wir gehen hier also durchaus mit gutem Beispiel voran.

Im gestrigen Papier forderte man Geld und wollte – etwas vereinfacht gesagt – wenig dafür tun.

Aber am Ende muss es finanzierbar sein. Wir haben eine Schuldenbremse und wir haben knappe Budgets. Und wir haben andere Bedürfnisse für die Schweiz wie AHV, Schule und die Armee. Da können wir nicht einfach einer beliebigen Zahl zustimmen. Ich denke, die Schweiz ist grosszügig.

Welche Rolle spielt denn die finanzpolitische Grosswetterlage Ihrer Meinung nach?

Ich habe den Eindruck, dass das nicht die erste Rolle spielt. Es geht vielmehr darum, dass es dieser Welt gelingt, aus den fossilen Energien auszusteigen. Für diese Zielsetzung braucht es aber zuerst ein Bekenntnis aller Länder, das auch zu wollen und nicht einfach nur Geld zu fordern. Und im gestrigen Papier war das der Fall: Man forderte Geld und wollte – etwas vereinfacht gesagt – wenig dafür tun.

Es zirkuliert nun unter anderem die Summe von 600 Milliarden. Die Schweiz könnte dabei ein Prozent übernehmen – dann wäre man bei sechs Milliarden. Was sagen Sie dazu?

Das ist völlig ausgeschlossen, völlig utopisch. Das ist mehr, als wir in einem Jahr für unsere Armee ausgeben, doppelt so viel, wie wir für die Landwirtschaft ausgeben, mehr als wir für die Hochschulen ausgeben. Das ist völlig unrealistisch.

Wir hoffen, dass der Vorschlag vor allem verhandlungstaktisch war, und dass jetzt ein Papier kommt, auf dessen Basis man verhandeln kann.

Warum sind die Verhandlungen Ihrer Meinung nach blockiert? Welche Rolle spielt die Präsidentschaft?

Ich sage es einmal so: Es war schon mutig von der Präsidentschaft, gestern einen Vorschlag auf den Tisch zu legen, auf den schlichtweg nicht eingegangen werden konnte. In einem Parlament hätte man gesagt: nicht eintreten. Das war auch die klare Botschaft von uns als Schweizer Delegation. Auf der einen Seite hätte man kaum Massnahmen für die sogenannte Mitigation gehabt – also die Bereitschaft, den CO₂-Ausstoss zu reduzieren. Und auf der anderen Seite eben sehr hohe Ewartungen an die Unterstützungszahlungen – nach dem Motto: wenig tun und viel bezahlen. Ich glaube, das kann kein Resultat sein.

Klimagipfel wird verlängert

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Wegen des Streits über Klimahilfen in Billionenhöhe geht die UNO-Klimakonferenz in Aserbaidschan in die Verlängerung. Zum planmässigen Ende am Freitag lagen nach zweiwöchigen Verhandlungen zwar Entwürfe für Abschlusstexte vor – doch diese sorgten für Empörung.

Die Präsidentschaft schlug vor, dass vor allem die Industriestaaten bis 2035 jährlich 250 Milliarden US-Dollar mobilisieren – das wären etwa 2.5 Mal mehr, als jetzt fliesst.

Dutzende Entwicklungsstaaten hatten vehement Gelder in Billionenhöhe gefordert. Auch eine unabhängige UNO-Expertengruppe kommt zu dem Schluss, dass der Bedarf an externer Hilfe bis 2030 bei rund 1000 Milliarden US-Dollar pro Jahr liegt – und sogar 1300 Milliarden bis 2035.

Wir hoffen jetzt, dass es vor allem verhandlungstaktisch war, dass man mal einen Schock auslösen wollte und dass jetzt ein Papier kommt, das vernünftig ist, auf dessen Basis man verhandeln kann.

Sollte die Schweiz nicht die Rolle als Brückenbauerin einnehmen?

Die Schweiz nimmt in vielen Bereichen eine Brückenbauerrolle ein – auch hier. Es gibt eine länderübergreifende Gruppe, in der sowohl Entwicklungsländer als auch Industriestaaten vertreten sind, die wir seit mehreren Jahren präsidieren. Am Donnerstag fand die ordentliche Versammlung statt. Die Mitglieder haben grosses Vertrauen in die Schweiz. Wir können also durchaus eine Brücke bauen, indem wir sowohl die Interessen der Entwicklungsländer als auch der Industriestaaten hier einbringen können. Das gibt uns mehr Redezeit und wir können früher im Plenum sprechen. Das ist sehr wertvoll.

Sie haben sich im Rahmen der US-Wahlen durchaus positiv dazu geäussert, dass Donald Trump neuer US-Präsident werden könnte. Was kann man denn von ihm in Sachen Klimapolitik erwarten?

Da gilt es abzuwarten. Er wird ja seine Regierung erst bilden und dann bin ich gespannt. Ich bin aber überzeugt, dass die Schweiz mit Amerika weiterhin gut zusammenarbeiten wird, wie das auch gestern der Fall war.

Das Gespräch führte Benedikt Hofer.

SRF4 News aktuell, 22.11.24, 16 Uhr ; 

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