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Weltweite Klimastreik-Bewegung «Eine Politisierung ist nicht ohne Gefahren»

Rund um die Welt fanden am Freitag wieder Klimastreiks statt. Auch in der Schweiz. Wie die Bewegung mittelfristig am Leben erhalten werden kann, weiss die Politologin Cloé Jans.

Cloé Jans

Politologin

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Cloé Jans ist Politikwissenschaftlerin beim Forschungsinstitut GfS in Bern, wo sie das operative Geschäft leitet. Ihre Fachgebiete sind unter anderem Gesellschafts- und Jugendforschung, das Gesundheitswesen und Meinungsbildung in der Schweiz.

SRF News: Bis jetzt wurde nur in grossen Städten demonstriert, jetzt auch in kleinen. Was heisst das für die Bewegung?

Cloé Jans: Der Klimastreik hat im Kleinen, an einzelnen Schulen begonnen. Erst dann wurde er zum weltweiten Phänomen – auch dank der sozialen Medien. Inzwischen hat man dank ihnen auch in kleineren Gemeinden das Gefühl, Teil von etwas Grossem zu sein. Das unterstützt die Klimabewegung enorm.

Reicht es, den Klimastreik in die kleinen Städte zu tragen, um die Bewegung am Leben zu halten?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Bewegung am Leben zu erhalten. Wichtig ist etwa, dass man das Gefühl hat, gemeinsam für etwas Wichtiges zu kämpfen. Dieses Gefühl kann man bei Grossveranstaltungen in Grossstädten haben – aber auch in kleinen Orten, wenn man über soziale Medien und das Internet zusammen verbunden ist.

Eine Organisation zur Stabilisierung ist nicht ohne gewisse Gefahren zu haben.

Die Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten wollen mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten. Damit würden sie sich aber auch eindeutig politisch positionieren, was sie bisher vermieden haben. Was ändert sich dadurch?

Eine Bewegung ist grundsätzlich stark thematisch abhängig und deshalb volatil. Sie ist auf grosse Medienpräsenz angewiesen, damit das Thema in der Öffentlichkeit präsent bleibt. Deshalb muss man sich überlegen, wie man das Thema über längere Zeit hinweg am Leben erhalten kann. Es braucht eine Organisation zur Stabilisierung, die beispielsweise eben mittels etablierter Partner wie der Gewerkschaften erreicht werden kann. Allerdings ist das tatsächlich nicht ohne gewisse Gefahren zu haben.

Demonstrationszug von weitem.
Legende: Insgesamt demonstrierten schweizweit – hier in Lausanne – über 20'000 Menschen. Reuters

Was sagt die Forschung zu solchen Jugendbewegungen und darüber, wie sie sich weiterentwickeln, wenn der erste Enthusiasmus abgeklungen ist?

Es gibt drei unterschiedliche Wege, die solche Bewegungen nehmen können. Der erste ist der Niedergang, etwa, wenn sich das thematische Umfeld ändert oder wenn Bewegungen instrumentalisiert oder diskreditiert werden. Das war zum Beispiel bei «Occupy Wallstreet» in einem gewissen Sinne der Fall.

Je konkreter das Anliegen ist, desto einfacher ist es, damit erfolgreich zu sein.

Zweitens kann man den Weg in eine Stabilisierung suchen, wie das die Schweizer Klimabewegung jetzt mit den Gewerkschaften versucht. Oder man hat – drittens – Erfolg mit dem Anliegen. Je konkreter das Anliegen ist, desto einfacher ist es, damit erfolgreich zu sein. Das war etwa bei den Jugendbewegungen Anfang der 1980er-Jahre der Fall.

Nach der Ausweitung der Klimastreik-Bewegung auf kleinere Städte ist der nächste logische Schritt also eine Institutionalisierung und damit Politisierung der Bewegung?

Auf jeden Fall. Wenn man die Anliegen der Bewegung breit im politischen Umfeld einbringen will, dann kommt man nicht um eine Kooperation mit politischen Akteuren herum. Allerdings schränkt dies die Bewegung womöglich in ihrer Freiheit ein. Denn mit der Politisierung geht auch eine gewisse Bürokratisierung der Bewegung einher.

Das Gespräch führte Eliane Leiser.

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