- Daniel M. soll deutsche Steuerfahnder ausgekundschaftet und dafür vom Schweizer Nachrichtendienst bezahlt worden sein.
- In der Affäre um den mutmasslichen Schweizer Spion gibt es eine neue Wendung.
- Recherchen von SRF News zeigen: Den Spionage-Einsatz hat die Schweizer Bundeskriminalpolizei ausgelöst.
- Der Nachrichtendienst lieferte dann aber nicht einfach Informationen, sondern griff zu den heiklen Methoden, die jetzt in Deutschland für Empörung sorgen.
2011 ermittelte die Bundeskriminalpolizei in Zusammenhang mit dem Diebstahl von Bankdaten bei der Credit Suisse. Die gestohlenen Daten waren an die Steuerbehörde von Nordrhein-Westfalen verkauft worden.
Die Ermittlungen der Schweizer Bundespolizisten waren schwierig: Deutschland verweigerte die Zusammenarbeit. Deshalb schaltete die Bundeskriminalpolizei den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) ein.
Cathy Maret vom Bundesamt für Polizei Fedpol, zu dem die Bundeskriminalpolizei gehört, bestätigt Recherchen von Radio SRF: «2011 haben wir beim NDB rund um die Affäre mit gestohlenen Bankdaten um Informationen ersucht. Wir wollten vom Nachrichtendienst wissen, ob er Informationen hat. Das ist ein normales Verfahren. Vor allem, wenn andere Kanäle der polizeilichen Zusammenarbeit nicht offen stehen, wie etwa Rechtshilfe oder internationale Kooperation.»
NDB mit pikantem Vorgehen
Der NDB lieferte dann aber nicht einfach Informationen, sondern er griff zu den heiklen Methoden, die jetzt in Deutschland für Empörung sorgen: Der NDB beauftragte den Zürcher Privatermittler Daniel M., die Namen von verdächtigen deutschen Steuerfahndern herauszufinden.
Offenbar mit Erfolg: M. lieferte drei Namen. Diese gelangten vom Nachrichtendienst an Bundeskriminalpolizei und Bundesanwaltschaft. Das ist pikant: Der NDB nämlich ist nicht für Strafermittlungen zuständig, sondern für Abklärungen im Vorfeld von Straftaten.
Kritik von Grünen-Nationalrat Glättli
Das Vorgehen werfe rechtsstaatliche Fragen auf, sagt der Grüne Fraktionschef Balthasar Glättli. Von dem Moment, an dem genügender Anfangsverdacht gegeben sei, sei die Strafverfolgungsbehörde zuständig: «Sie verfügt über die entsprechenden Zwangsmassnahmen. Diese können aber nur unter klaren Rahmenbedingungen – also gerichtlicher Zustimmung – eingesetzt werden.» Wenn das umgangen werde, so Glättli, werde auch der Schutz der Strafprozessordnung ausgehebelt.
Der Nachrichtendienst selbst sieht hier kein Problem. In einem Mail an Grünen-Politiker Glättli zitiert NDB-Chef Markus Seiler aus einem vertraulichen Gutachten des Bundesamts für Justiz. Dieses soll zeigen, dass dem NDB bei wirtschaftlichem Nachrichtendienst ein weites Betätigungsfeld offen stehe.
Seiler schreibt weiter: «Ich erlaube mir hinzuzufügen, dass das umso mehr gilt, wenn der Nachrichtendienst auf Ersuchen des Fedpol tätig wird.»
Staatsrechtler warnt vor Alleingängen des NDB
Gar nicht klar ist die Sache für Markus Schefer. Der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel spricht von einem problematischen Vorgehen. Das Problem werde sich noch vergrössern, befürchtet Schefer. Im September nämlich soll das neue Nachrichtendienst-Gesetz in Kraft treten.
Dieses gibt dem NDB die Kompetenz, in Computer einzudringen, Räume zu verwanzen und Telefone anzuzapfen: «Hier besteht die Gefahr, dass man die rechtsstaatlichen, strafprozessualen Garantien, die eine gewisse Zurückhaltung verlangen, mit nachrichtendienstlichen Ermittlungen umgeht.»
Umgingen die Strafverfolgungsbehörden bewusst die strengen Regeln bei Ermittlungsverfahren, indem sie den Nachrichtendienst einschalteten? Die parlamentarische Aufsicht über den Nachrichtendienst, die Geschäftsprüfungs-Delegation (GPDEl) hat heute beschlossen: Sie will die Affäre genau unter die Lupe nehmen.