«10vor10»: Der Bundesrat kommt mit einer verfassungskonformen Umsetzung der Zuwanderungs-Initiative. Man kann sagen «Aufgabe erfüllt»?
Christoph Blocher: Wenn es dann dazu führt... Bis jetzt weiss man das noch nicht. Man muss anerkennen: Es ist eine Lösung, die wir alleine machen, so wie es die Verfassung vorsieht. Aber es steht noch nicht drin, was wir machen, wenn wir wirklich alleine diesen Weg gehen. Es bräuchte ein klares System, so wie wir es von der Personenfreizügigkeit kennen. Man legt jedes Jahr aufgrund der Arbeitslosenzahl und der Bedürfnisse fest, wie hoch im nächsten Jahr die Kontingente sein sollen und dann werden diese eingesetzt. Diejenigen Menschen, die wir für die Wirtschaft brauchen, kommen dann. Diejenigen, die wir nicht brauchen, kommen dann nicht mehr. Aber dies muss wahrscheinlich das Parlament durchsetzen.
Die SVP kann dies im Parlament mit einer bürgerlichen Mehrheit so ausgestalten.
Das ist die Hoffnung. Wir hoffen, das Parlament macht mit. Die Lösung liegt ja auf dem Tisch und muss nicht neu erfunden werden.
Zum Vorschlag des Bundesrats: Sie kritisieren, dass er keine Zahl nennt. Nennen Sie uns eine Zahl?
Nein. Ich kritisiere das auch nicht. Man kann Zahlen nur für das nächste Jahr nennen. Auch hier können wir einfach zurückblicken. Bei starkem Wirtschaftswachstum, aber nicht nur, lag die Zuwanderung bei durchschnittlich 20'000 Personen. In den letzten sieben Jahren mit der Personenfreizügigkeit waren es im Durchschnitt 80'000. Und das ist zuviel.
Wie wichtig sind Ihnen denn die Bilateralen Verträge?
Wir sind nicht gegen die Bilateralen Verträge, aber man soll sie auch nicht überschätzen. Eines ist sicher: Die EU lässt diese Verträge nicht fallen.
Sie sagen, Sie wissen das?
Nicht nur ich weiss das. In Bern weiss man das auch, beispielsweise die Leute in der Bundesverwaltung und Staatssekretär Rossier, der die Verhandlungen führte. Den Satz gibt es dort schriftlich. Die EU werde niemals die Bilateralen Verträge fallen lassen. Und ich habe aus meiner Zeit als Bundesrat noch ein paar lockere Beziehungen. Alle sagen mir dasselbe. Das Interesse der EU an diesen Verträgen ist zu gross. Denken Sie zum Beispiel an den Transitvertrag. Die EU lässt ihre Mitgliedsstaaten sicher nicht hängen. Darum sind dies alles leere Drohungen.
Wie wichtig sind Ihnen diese Bilateralen Verträge persönlich – als ehemaliger Unternehmer, als Politiker?
Mehr zum Entscheid des Bundesrats
«Nice to have» – sie sind aber nicht überlebensnotwendig.
Nach der Schlappe in der Durchsetzungsinitiative haben Sie gesagt, man müsse nun die Kräfte bündeln und nicht mehr so viele Initiativen lancieren. Haben Sie denn schon eine Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit in der Schublade, wenn es nicht so läuft, wie Sie wollen?
Ja. Das sagt übrigens auch der Bundesrat in seiner Botschaft. Denn wenn das Bundesgericht sagt, man wende nur einen Vertrag an und kein Gesetz des Parlaments, dann muss man den Vertrag künden. Das ist ein Rechtsakt und nichts Unfreundliches.
Aber es braucht eine Initiative, und diese würden sie trotz allem wieder machen?
Es braucht sie nur, wenn der Bundesrat und das Parlament diesen Vertrag nicht von sich aus kündigen. Ich habe mich gefreut, dass der Bundesrat selbst zu dieser Erkenntnis gekommen ist. Aber wenn er dies nicht tut, und wir diese Reduktion nicht hinbringen, müssen wir es machen. Es ist für unser Land immer dringender. Schauen Sie zum Beispiel auf die Arbeitslosenzahlen.
Sie sagen das Gegenteil von dem, was die Schweizer Wirtschaft sagt. Economiesuisse etwa sagt, man wolle eigentlich dasselbe wie der Bundesrat.
Sie sollen es probieren, aber sie werden auch merken, dass es nicht geht. Darum musste der Bundesrat die Schutzklausel einseitig hinbringen, weil er merkt: Die EU will nicht verhandeln. Wir müssen einfach unseren Weg gehen, so wie das Volk das beschlossen hat. Die Entscheidung des Bundesrats ist ein Lichtblick, dass er sich endlich aufrafft für eine einseitige Schutzklausel.