Es ist ein Prestige-Projekt mit dem Namen V-Bahn. Die rund 470 Millionen Franken teure Bahn soll hunderttausende Gäste von Grindelwald Richtung Jungfraujoch bringen. Ein Ast der V-Bahn führt auf den Männlichen ins Skigebiet, der andere zum Fuss der Eigernordwand, wo es mit dem Zug aufs Jungfraujoch geht. Die Bahn verkürzt die Reisedauer von Interlaken auf das Jungfraujoch um 47 Minuten.
Nach acht Jahren Plan- und Bauzeit ist die Bahn nun startklar. «Das V-Bahn-Projekt wird uns in eine ganz andere Liga bringen», sagt Urs Kessler, Chef der Jungfraubahnen.
Der Schweizer Markt ist 2020 um 250 Prozent gewachsen.
Die Bahn ist das Resultat des Wachstums. In den letzten Jahren besuchten immer mehr Leute das Jungfraujoch, zuletzt über eine Million. Die neue Bahn könnte nun viertausend Personen pro Stunde transportieren. Könnte – denn die Eröffnung fällt mitten in die zweite Corona-Welle, in welcher der Massentourismus verboten ist und die vielen Touristen aus dem Ausland fehlen. 70 Prozent der Gäste kommen normalerweise aus asiatischen Ländern, 30 Prozent aus der Schweiz, Europa und den USA.
Kein Strategiewechsel
Langfristig nur auf Schweizer Gäste zu setzen, ist für Urs Kessler keine Option. Der Schweizer Markt ist 2020 zwar um 250 Prozent gewachsen, «das reicht aber leider nirgends hin ohne internationale Gäste», sagt Kessler.
Er blickt jedoch zuversichtlich in die Zukunft: «Die Krise hat gezeigt, dass das Bedürfnis nach Reisen nun stärker denn je ist», meint Kessler. So hätten sie viele Anfragen aus dem Ausland und Reiseveranstalter würden warten, bis internationale Reisen wieder möglich sind.
Auch andere Bahnen rüsten auf
Neben den Jungfraubahnen baut im Berner Oberland auch die Schilthornbahn aus. Für 90 Millionen Franken ist eine neue Bahn Stechelberg–Mürren–Birg– Schilthorn geplant. Das Umsteigen fällt weg, die Reisezeit verkürzt sich von 32 auf 18 Minuten. Auch da meint der Chef, Christoph Egger, dass es die Bahn brauche, trotz der Krise: «Wir gehen nicht davon aus, dass die Corona-Krise über fünf oder zehn Jahre dauern wird.»
Auch die Titlis-Bergbahnen in der Zentralschweiz, die stark auf internationale Gäste gesetzt haben, lassen sich von ihrer Strategie nicht abbringen. Erst Ende September erhielten sie in einer Volksabstimmung die Zustimmung für eine neue Bahn, inklusive einer neuen Bergstation; gebaut von den Stararchitekten Herzog & De Meuron. Kostenpunkt: 110 Millionen Franken.
Die Corona-Krise komme zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Jedes Jahr gehen eine Million Gäste von Engelberg auf den Titlis, 60 Prozent von ihnen stammen aus Übersee, vor allem aus Indien, aber auch aus China und den USA. Der Gruppentourismus werde auch im kommenden Jahr noch nicht anziehen, heisst es beim Unternehmen.
Diese Zeit werde anspruchsvoll. «Aber», sagt Norbert Patt, Geschäftsführer der Titlisbahnen: «Wir sind finanziell gut aufgestellt und glauben, dass wir danach wieder erfolgreich wirtschaften können.»
Gerade bei Bergbahnen, die viele Gäste brauchen, damit es rentiert und bei denen Investitionskosten hoch sind, ergebe es Sinn, abzuwarten und zu überbrücken, meint Monika Bandi, Tourismusexpertin der Universität Bern. Gewisse Anbieter, vor allem kleinere, könnten sich durchaus mehr auf Schweizer Gäste fokussieren. Das sei aber kein Ersatz: «Es ist mehr eine Ergänzung, die eine Region künftig resistenter gegen Krisen macht», so Bandi. Im besten Fall stärke dies langfristig eine nachhaltigere Entwicklung.