Die Ausflügler stehen dicht gedrängt im Halbkreis, die Smartphones gezückt. Der Alphornbläser hat sich an diesem Nachmittag das Plateau am Fusse der Sphinx ausgesucht und das Alphorn Richtung Aletschgletscher ausgerichtet. Im Rücken hat er das Mittelland. Kitsch kommt nicht nur bei den Gästen aus Asien gut an.
Ein paar Meter weiter flattert das Schweizer Kreuz am Fahnenmast. Eine zweite Flagge auf Hüfthöhe dient ebenfalls als beliebtes Fotosujet. Wer ein Bild machen will, muss sich hinten anstellen. Dabei bleiben die Schweizerinnen und Schweizer in dieser Sommersaison auf dem Jungfraujoch beinahe gänzlich unter sich.
Man spricht Dialekt und Französisch
Aus der ganzen Schweiz reisen diesen Sommer die Gäste aufs Jungfraujoch. Gesprochen wird dieser Tage vor allem Schweizerdeutsch und Französisch. Wegen der Corona-Pandemie bleiben die Schweizer auf dem Joch praktisch unter sich.
In den letzten drei Jahren fuhren jeweils über eine Million Gäste aufs «Top of Europe». Sieben von zehn kamen aus Asien, vor allem aus Indien, Japan und China. Diesen Sommer bleiben diese Gäste aus. Deshalb gilt für die Hälfte der Belegschaft jetzt Kurzarbeit.
Älplermagronen statt Tandoori Chicken
Und so ist auch das Gruppenrestaurant «Bollywood» geschlossen, die indische Küche bleibt kalt. Die anderen Restaurants haben ihr Angebot neu auf Herrn und Frau Schweizer ausgerichtet, wie der Leiter der Jungfrau-Gastronomie, Rainer Hoffer, sagt. Ghackets und Hörnli, Älplermagronen oder Berner Rösti seien im Selbstbedienungs-Restaurant jetzt der Hit.
Die Schweizer Gäste haben nicht nur ein anderes Speiseangebot, sondern auch ein angepasstes Sortiment im Souvenir-Shop. Zwar kauften auch die Gäste aus der Schweiz hier gerne das eine oder andere Erinnerungsstück, sagt Shop-Leiterin Marlise Schweizer. Doch die Vorlieben seien anders.
Schweizer kaufen keinen Sauerstoff
So werde derzeit kaum mehr Sauerstoff verkauft. «Davon brauchten wir viel, als noch die Asiaten raufgekommen sind. Doch die Schweizer brauchen den nicht.» Mit Luft liess sich also auch schon besser Kohle machen.
Auch Schweizer Uhren und Schokolade gingen auf dem Jungfraujoch schon häufiger über den Ladentisch als zurzeit. Dafür sind jetzt Postkarten, Sackmesser oder Schnapsgläser gefragt.
Vielleicht sind die Touristen auf 3454 Meter über Meer doch nicht so unterschiedlich, wie man das gerne glauben mag.