Weshalb mutieren Coronaviren? Das Coronavirus ist inzwischen in schier unendlich vielen Kopien auf diesem Planeten verteilt. Jede infizierte Person kann geschätzt zwischen 1 und 100 Milliarden Kopien in sich tragen. Und jedes Mal, wenn das Virus einen Menschen infiziert, werden neue Kopien gemacht. Bei diesem Kopiervorgang passieren Fehler. Wenn diese an einer relevanten Stelle im Viren-Erbgut passieren, führen sie zu neuen Varianten.
Wie lassen sich neue Varianten aufspüren? Das Zauberwort hierzu lautet: Sequenzierung. Dabei wird das Erbgut zahlreicher Viren aus positiven Coronatests im Labor analysiert. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ist die Sequenzierung ein Schlüsselelement im Kampf gegen die Pandemie. Entscheidend sei, neue Mutationen frühzeitig zu entdecken, um die Verbreitung nachvollziehen zu können.
Wie stark beeinflusst die Immunität in der Bevölkerung die Entstehung neuer Varianten? Je länger eine Person mit dem Virus infiziert ist, desto eher können sich neue Varianten bilden. Der Extremfall sind Personen, die das Virus über Monate nicht aus dem Körper bringen, etwa wegen einer Immunschwäche. Das ist auch eine der Theorien, wie sich Omikron gebildet haben könnte.
Die Viruslast von Omikron und wie ansteckend geimpfte und ungeimpfte Menschen im Vergleich sind, wird aktuell noch untersucht.
Grundsätzlich gilt aber: Je mehr das Virus im Umlauf ist, je mehr Kopien von ihm angefertigt werden in Menschen, die sich infizieren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass neue Mutationen entstehen. Prinzipiell spielt es keine grosse Rolle, ob dies in geimpften oder ungeimpften Personen stattfindet. Wie sich das bei Omikron-Infektionen verhält, ist im Moment noch unklar. Die Viruslast und wie ansteckend geimpfte und ungeimpfte Menschen im Vergleich sind, wird aktuell noch untersucht.
Welches Risiko bergen neue Mutationen? Sie könnten die Immunität umgehen und dann noch einmal viele schwere Verläufe auslösen. Nebst der Option frischer Varianten könnten auch Beta oder Gamma zurückkehren.
Mit Blick auf die vorhandenen mRNA-Vakzine gibt es allerdings auch positive Signale: Impfstoffe zielen fast alle auf das Spike-Protein. Also auf jenen Teil, den ein Virus benutzt, um in Zellen einzudringen. Wenn das Virus die Spikes verändert und damit eine gute Immunflucht hinbekommt, geht es gleichzeitig ein Risiko ein: Nämlich, nicht mehr so gut in die Zellen reinzukommen, also weniger gut Menschen infizieren zu können. Ausserdem gilt: Menschen bauen immer mehr Immunität auf, durch Impfungen und mit durchgemachten Infektionen. Das sollte schwere Verläufe insgesamt zunehmend seltener machen.
Doch die Unsicherheit sei nach wie vor gross, betonte kürzlich der führende US-Immunologe Anthony Fauci gegenüber dem «Spiegel»: Solange das Infektionsgeschehen schwele, erhalte das Virus die Möglichkeit zu mutieren. «Und es ist denkbar, dass die nächste Variante nicht nur ansteckender ist, sondern auch schwerere Krankheitsverläufe verursacht.»
Welche Bedeutung kommt der Impfung in Zukunft zu? Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, geht aktuell nicht davon aus, dass regelmässige Booster für die breite Bevölkerung nötig sind. Am ehesten brauche es künftig Auffrisch-Impfungen für Hochrisikopersonen, sagte er jüngst in einem Interview mit SRF.
Nach Einschätzungen des US-Immunologen Fauci ist in Zukunft ein Impfstoff nötig, der besser alle gegenwärtigen und vor allem auch mögliche neu auftretende Varianten abdeckt. Momentan jage man mit der Anpassung der Vakzine an aktuelle Varianten der Entwicklung des Virus hinterher.
Wo nicht anders gekennzeichnet, stammen die Informationen für diesen Artikel von Thomas Häusler, Daniel Theis und Katrin Zöfel aus der SRF-Wissenschaftsredaktion.