Schon jetzt Anfang Februar sind die Rapspflanzen auf dem Feld bei Versoix im Kanton Genf grün und saftig, weil sie eingezäunt sind.
Yves Bourguignon, Genfer Chefwildhüter, steht vor dem Zaun und zeigt auf den matschigen Boden des Nachbarfelds: «Das alles sind Hirschspuren. Die Hirsche kommen praktisch jeden Abend, um hier zu fressen.»
Zahllose Hufabdrücke zwischen zertretenen Pflanzenstängeln und angenagten Steckrüben zeugen davon. Das ist nicht weiter schlimm. Dieses Feld ist eine Zwischenkultur. Die Pflanzen werden bald untergepflügt.
«Ohne Zäune keine Ernte»
Aber das Feld zeigt, was ohne Zaun mit dem Raps passieren würde. Wildhüter Bourguignon: «Ohne Zaun wäre hier keine Rapsernte möglich.» Ohne Schutzmassnahmen würden die rund 150 Hirsche, die im Bois de Versoix leben, praktisch alle Kulturen auf den Feldern rund um den Wald von Versoix zerstören. Die Zäune kosten den Kanton Genf jedes Jahr 150'000 Franken.
In anderen Kantonen würde man in einer solchen Situation einen Teil der Hirsche zur Jagd freigeben. Doch das geht hier nicht. Als einziger Kanton hat Genf in seiner Verfassung nämlich ein Jagdverbot stehen.
Auch Abschüsse durch Wildhüter sind nur erlaubt, wenn eine Tierart grosse wirtschaftliche Schäden verursacht. Dann können die Wildhüter bei der Regierung eine Abschussbewilligung beantragen.
Für die Hirsche im Bois de Versoix haben sie diese Bewilligung für diesen Winter erhalten. Doch eine Tierschutzorganisation hat dagegen geklagt.
«Wir wollen Hormone statt Kugeln»
Luc Fournier, Präsident von Animal Equité, erklärt wieso: «Wir sind grundsätzlich dagegen, dass in einem Kanton, in dem die Jagd verboten ist, Tiere geschossen werden. Zudem wollen wir einen Gerichtsentscheid, der den Kanton zwingen würde, die Hirschpopulation anders zu regulieren, mit Hormonspritzen statt mit Kugeln.» Das sei teurer, aber machbar, sagt Fournier. Das zeigten Erfahrungen im Ausland.
Die Klage von Animal Equité ging bis vor Bundesgericht. Die Richter dort entschieden, dass dieses Jahr einige Hirsche in Versoix geschossen werden dürfen. Sie verfügten aber auch, dass sich ein Genfer Gericht mit der Grundsatzfrage beschäftigen muss, ob die Wildhüter die Empfängnisverhütung für Hirsche testen müssen oder nicht.
«Empfängnisverhütung nicht praktikabel»
Im Wald von Versoix schüttelt Chefwildhüter Bourguignon den Kopf: «Wir haben keine Technik, die es erlaubt, genügend Hirschkühe einzufangen, um ihnen das Verhütungsmittel zu spritzen.»
Sie hätten sich die vorgeschlagene Verhütungsmethode genau angeschaut. Wissenschaftliche Studien konsultiert und Wildhüter im Ausland kontaktiert. Und sie seien zum Schluss gekommen, dass diese Verhütungsmethode hier in Versoix nicht umsetzbar sei; auch nicht mit mehr finanziellen Mitteln.
Und letztlich sei es auch eine ethische Frage, sagt Bourguignon: «Soll man, um den Tod einiger Hirsche zu vermeiden, alle Tiere immer wieder aufscheuchen?» Ethische Bedenken gibt es also bei den Wildhütern und bei den Tierschützern. Beantworten muss diese Frage ein Gericht.