Das Niederhorn oberhalb des Thunersees ist ein Freizeitberg, mit Steinböcken und Alpenpanorama. Hier oben kann sich Ulrich Nyffenegger einen Windpark vorstellen.
Nyffenegger ist Vorsteher des bernischen Amtes für Umwelt und Energie. Er sagt: «Dass auf dem Niederhorn eine Antenne, eine Bergbahn und ein Berggasthaus stehen, das können sich alle wunderbar vorstellen, denn es ist so. Wieso ist ein Windrad nicht vorstellbar?» Weil wir Windräder nicht gewohnt seien, weil wir so wenige hätten, so Nyffenegger. Er möchte mehr davon.
Das Gebiet um das Niederhorn ist ein sogenannter Windenergie-Prüfraum. Im Richtplan des Kantons Bern ist es so erwähnt. Das bedeutet: Hier hat Windkraft Potenzial. Deshalb könnten hier die verschiedenen Interessen wie die nationale Energiestrategie, der regionale Tourismus und die zum Teil geschützten Natur- und Landschaftswerte gegeneinander abgewogen werden.
Armee will keine Windräder auf dem Niederhorn
Am Niederhorn besteht ein kantonales Jagdbanngebiet. Bisher war in einem solchen ein Ausbau der Windkraft grundsätzlich ausgeschlossen. Der Kanton Bern jedoch musste erst kürzlich bei der Revision seines Richtplans nachbessern, da der Bund verlangt, dass auch in gewissen Schutzgebieten der Bau von Windparks zumindest zu prüfen sei.
Das schaffe zugleich mehr Angriffsfläche und Widerstand, sagt Stefan Schweizer. Er ist der Geschäftsführer der Regionalkonferenz Oberland-Ost. «Aber es gibt auch die Chance, dass Gebiete geprüft werden können, die früher ausgeschlossen wurden, obwohl sie von der Windkraft her nicht schlechte Gebiete sind.»
Doch egal wie hoch das Potenzial auf dem Niederhorn ist: Es wird keinen Ausbau der Windkraft im Sinne des Bundes erfolgen. Denn der Bund selber – das Verteidigungsdepartement VBS – will dort keine Windräder. Sie würden militärische Systeme beeinträchtigen.
Ein weiterer solcher Raum mit Potenzial für Windkraft hat der Kanton Bern auch auf der anderen Seite des Thunersees erkannt, nämlich im Gebiet Männlichen-Lauberhorn.
Zu wenig, um Touristen zu vertreiben
Hier fahren die Gäste Ski oder aufs Jungfraujoch. Das ist der touristische Goldesel der Region. Und so sagt Stefan Schweizer: «Wir haben 4.5 Millionen Logiernächte und viele Tagesgäste. Die suchen bei uns nicht Windenergieanlagen.» Schweizer hat sich innerhalb der Regionalkonferenz Oberland-Ost mit Gemeinden, Vereinen und Verbänden vertieft mit dem Windkraft-Potenzial auseinandergesetzt und verschiedenste Interessen abgewogen.
Die Touristen suchen bei uns nicht Windenergieanlagen.
Drei 60 Meter hohe Windräder wären am Männlichen möglich, ist sein Fazit. «Man könnte 53 Einfamilienhäuser mit diesem Strom bedienen.» Das sei viel zu wenig, um den Tourismus zu verärgern.
Potenzial für den Ausbau von Windenergie hin oder her: Beide Windenergie-Prüfräume – Niederhorn und Männlichen – sollen aus dem Richtplan des Kantons verschwinden. Den entsprechenden Antrag zur Streichung beschlossen die Gemeinden der Region Oberland-Ost kürzlich einstimmig. Dem Thema Windpark sei damit der Wind aus den Rotoren genommen, hiess es nach der Abstimmung. Ulrich Nyffenegger sagt, Windparks zu bauen sei im Moment «fast nicht möglich, und die Investoren haben auch nicht mehr grosse Lust».
Die Rahmenbedingungen für den Bau von Windanlagen sind suboptimal.
«Die Rahmenbedingungen für den Bau von Windanlagen sind suboptimal», schreibt der Berner Energiekonzern BKW auf die Frage nach der Lust auf Investitionen in Windkraft. Bern mag so viel Windkraft-Potenzial haben, wie es sich der Bund bei seiner Energiestrategie wünscht – die Umsetzung jedoch bleibt Utopie.