Für die Hälfte der Zürcherinnen und Zürcher stellt der Wohnraum das grösste Problem der Stadt dar. Das zeigt die Bevölkerungsbefragung 2023. Um das Problem zu lösen, hat eine Allianz aus bürgerlichen und Mitte-Parteien eine Volksinitiative lanciert, welche die Gebäude in der Stadt um ein Stockwerk erhöhen will. Der Zürcher Hochbauvorsteher André Odermatt äussert sich im SRF-Interview zur Initiative und zur städtebaulichen Zukunft von Zürich.
SRF News: Das Thema «Wohnraum» bereitet den Zürcherinnen und Zürchern Sorge. Wo sind denn die bezahlbaren Wohnungen in der Stadt?
André Odermatt: Die Stadt ist sehr aktiv bei den Massnahmen, um das Drittelsziel (siehe Box) zu erreichen. Und man darf nicht vergessen, dass wir in Zürich bereits gut ein Viertel gemeinnützigen Wohnraum haben. Das ist schweizweit ein sehr hoher Anteil. Um diesen Anteil weiter zu erhöhen, bauen wir selbst Wohnungen mit grossen Projekten – etwa im Eichrain, im Leutschenbach oder am Escher-Wyss-Platz. Das sind mehrere Hundert Wohnungen. Zudem unterstützen wir auch Genossenschaften mit Baurecht und verhandeln mit Privaten. Da geht es darum, Land oder Liegenschaften zu erwerben.
Um das Problem mit dem knappen Wohnraum anzugehen, hat eine Allianz aus Mitte- und bürgerlichen Parteien eine Volksinitiative lanciert. Gebäude sollen um ein Stockwerk erhöht werden können.
Das Anliegen ist nicht neu. Es gab von bürgerlicher Seite bereits eine Motion, die von einer Mehrheit im Zürcher Gemeinderat abgelehnt wurde. Die Gründe, die zur Ablehnung geführt haben, muss man auch hier genau anschauen.
Wir haben in der Stadt ganz viele Quartiere mit unterschiedlicher Identität. Die Initiative will nun eine Aufstockung in allen Wohnzonen, also eine Art Giesskanne über die ganze Stadt. Und das wird unseren Quartieren nicht gerecht. Wir haben einen kommunalen Richtplan, dort sind Gebiete ausgewiesen, in denen man verdichten kann. Und diese Aufstockungsidee müsste auf diese Gebiete eingegrenzt werden. Zudem stellen sich auch baurechtliche Fragen, was die Höhe der Aufstockung anbelangt.
Die Aufstockung von Gebäuden kann eine sanfte Version für mehr Wohnraum sein. Wenn dann aber in diesem Zusammenhang doch komplett saniert wird, kommt es trotzdem zu Leerkündigungen. Und da muss man ganz sorgfältig abwägen, was dies dann bedeuten würde.
Gerade linke Parteien befürchten ja, dass es durch eine Aufstockung der Gebäude zu mehr Kernsanierungen und somit zu teurerem, nicht zu billigerem Wohnraum kommt. Wo sehen sie als Hochbauvorsteher denn eine Möglichkeit, die Stadt weiter zu verdichten?
Im kommunalen Richtplan sind Gebiete ausgewiesen, in denen man mit Qualität verdichten kann. Auch dort stellen sich aber Fragen: Geht man einen Stock höher? Oder gleich zwei? Was aber ganz wichtig ist: Man muss dort einen Prozess finden, wie – wenn dies nötig ist – Gebäude sozialverträglich abgerissen werden. Das heisst: Es braucht Ersatzangebote, es braucht eine Etappierung des Bauvorhabens.
Wie sieht die Stadt Zürich städtebaulich in 50 Jahren aus?
Wir werden nach wie vor sehr klar erkennbare Quartiere haben, sehr schöne Gründerzeitquartiere. Wir werden grünere Quartiere haben, die sich baulich erneuert haben. Und wir werden deutlich mehr preisgünstige Wohnungen haben. Ich bin überzeugt: In 50 Jahren sind wir hier nicht bei einem Drittel, sondern bei 50 Prozent.
Das Interview führte Nicolas Hofmänner.