Der Zivilschutz hat Personalprobleme. Vor allem seit 2021. Mit der Änderung des Zivilschutzgesetzes wurde die Dienstzeit von 20 auf 14 Jahre verkürzt. Die Folge: Die Zivilschutzorganisationen mussten sechs Jahrgänge gleichzeitig entlassen.
So ging es auch dem Präsidenten des Bernischen Zivilschutzverbandes, Guido Sohm. Er ist gleichzeitig Kommandant der Zivilschutzorganisation Steffisburg-Zulg. Von einem Jahr aufs andere hatte er anstatt 450 Einsatzkräfte plötzlich nur noch 280 zur Verfügung.
Ein grösseres Ereignis kann eine Organisation alleine kaum mehr bewältigen.
«Im Ereignisfall sollte man das eigentlich nicht merken, aber nur, wenn sich die Zivilschutzorganisationen gegenseitig aushelfen. Ein grösseres Ereignis kann eine Organisation alleine kaum mehr bewältigen», so Sohm.
Dieses Problem ist bei den Behörden weitgehend bekannt, und es sind verschiedene Ideen zu seiner Lösung auf Bundesebene in Arbeit. Das Problem: «Das Rekrutierungspotential bei den Schweizer Männern ist zurzeit quasi ausgeschöpft», so Olivier Andres, Stabschef und stellvertretender Amtsvorsteher des bernischen Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär, dem BSM.
«Bei den Frauen und Ausländern gibt es dagegen ein gewisses Potenzial, denn ihnen ist es erlaubt, freiwillig Schutzdienst zu leisten», so Andres. Im Rahmen einer Gesetzesrevision, die im kommenden Jahr im Grossen Rat diskutiert wird, ist daher ein Infoanlass für diese Leute angedacht.
Falls die Revision durch den Grossen Rat kommt, werden voraussichtlich 2026 die ersten solchen Kurse im Kanton stattfinden. Rund 5500 Personen werden pro Jahr laut kantonalen Prognosen an den etwa 160 Kursen teilnehmen.
In Bern werde die Anlässe ausschliesslich von Kantonsmitarbeitenden durchgeführt. Vertreter der Organisationen im Bevölkerungsschutz – etwa Feuerwehrfrauen oder Zivilschutzkommandanten – unterstützen sie dabei.
«Investitionen in die Sicherheit sind unbezahlbar»
Diese Anlässe lässt sich der Kanton eine Stange Geld kosten: 100'000 Franken kostet es einmalig, das Ausbildungsmaterial zu erstellen, eine halbe Million jährlich, die Kurse durchzuführen.
Ob die Teilnehmenden sich nach dem Infoanlass zum Beispiel im Zivilschutz oder in der Feuerwehr engagieren wollen, können sie frei entscheiden. Es ist also durchaus möglich, dass sich die Personalsituation im Zivilschutz, trotz des vergleichsweise teuren Infoanlass, überhaupt nicht ändert.
Am Schluss profitiert die ganze Gesellschaft von den obligatorischen Infoanlässen.
Eine Fehlinvestition sei der Kurs aber nicht einmal in diesem Fall, sagt Olivier Andres vom BSM: «Sicherheit kostet. Man könnte sogar sagen, Sicherheit ist unbezahlbar. Angesichts des Sensibilisierungseffekts und der positiven Auswirkungen, die diese Anlässe haben, sind die Gelder aus unserer Sicht sehr gut investiert. Am Schluss wird die ganze Gesellschaft profitieren.»
Am Schluss sei es aber Sache der Politik, über die Verhältnismässigkeit der Kosten zu entscheiden, so Andres. Dass etwas getan werden muss, da ist man sich also einig.
Passiert das nicht, zeichnet Guido Sohm vom bernischen Zivilschutzverband ein düsteres Bild. «Wenn nichts passiert, kann sich der Zivilschutz in Zukunft nur noch auf seinen Kernauftrag, die Hilfe in Katastrophen und Notlagen, konzentrieren.»
Auf Bundesebene seien einige Lösungsansätze auf dem Tisch. Können diese realisiert werden, komme man wieder auf den richtigen Weg, nicht zuletzt vielleicht auch mithilfe des obligatorischen Infoanlasses.