Vor dem eritreischen Feiertag vom letzten Freitag haben sich die Spannungen auch in der Schweiz verschärft: Im Kanton Bern hatten die Behörden deswegen einen Anlass von Regimesympathisanten verhindert. Im Kanton St. Gallen wurde ein Fest in letzter Minute abgesagt. Nun kam es zu Ausschreitungen in Opfikon, am Zürcher Stadtrand. Samson Yemane vom eritreischen Medienbund Schweiz erklärt, wieso es zu diesen wüsten Szenen kommt.
SRF News: Wie ist die eritreische Diaspora in der Schweiz organisiert?
Samson Yemane: Wir können zwei verschiedene Migrationszeiträume beobachten, in denen Eritreer in die Schweiz gekommen sind. Es gibt nämlich diejenigen, die das Land vor der Einführung des totalitären Systems 2001 verlassen haben, und diejenigen, die Eritrea ab 2001 verlassen haben. Die Mehrheit der Eritreer, die das totalitäre Regime unterstützen, sind Personen, die lange vor 2001 in die Schweiz gekommen sind oder hier geboren wurden.
Eritrea ist ein Gefängnis unter freiem Himmel.
Sie haben gewissermassen ein idealisiertes Bild von Eritrea, insbesondere durch seine Unabhängigkeit von 1993. Dieses Bild eines glorreichen Landes wird auch vom Regime selbst als Mittel genutzt, das die eritreischen Institutionen gut darstellen soll. Darüber hinaus sehen diese Personen das Land durch die vom Regime stark beeinflussten und verbreiteten Informationen, Propaganda sowie allfällige Reisen während der Ferien. Sie haben ein verzerrtes Bild des Landes.
Die überwiegende Mehrheit der eritreischen Flüchtlinge, die das Land wiederum nach 2001 verlassen haben, kennt das totalitäre Regime sehr gut und prangert das unterdrückerische System weiterhin an. Im Übrigen werden nicht umsonst Parallelen zwischen Nordkorea und Eritrea gezogen. Eritrea ist ein Gefängnis unter freiem Himmel.
Inwiefern ist die Diaspora mit der eritreischen Politik verbunden oder wird von dieser beeinflusst?
Das totalitäre Regime in Eritrea erhebt eine Steuer von zwei Prozent auf das Bruttojahresgehalt und Sozialhilfe von allen Eritreern, die mit dem Regime zu tun haben – beispielsweise beim Kauf einer Immobilie oder bei der Beantragung einer Heirats- oder Geburtsurkunde. Mit anderen Worten: Für jedes Verwaltungsverfahren ist ein Eritreer verpflichtet, eine Steuer zu zahlen.
Die Festivals sind nicht nur kulturelle, sondern auch politische Events.
Darüber hinaus sollen Festivals im Ausland die eritreische Diaspora beeinflussen. Es sind nicht nur kulturelle, sondern auch politische Events, die darauf abzielen, ein positives Bild des Landes zu vermitteln. Und diese Feste ermöglichen dem Regime auch, Tausende von Franken zu sammeln.
Warum kommt es zu diesen Ausschreitungen?
Die grosse Mehrheit der eritreischen Diaspora kritisiert diese Veranstaltungen seit Jahren, da sie das totalitäre Regime symbolisch, politisch und wirtschaftlich stärken. Immer wieder werden die zuständigen Behörden, wie der Schweizer Staat, von Diaspora und Beobachtern über mögliche Ausschreitungen und die Notwendigkeit repressiver Massnahmen informiert. Die Gegner des Regimes fühlen sich ungerecht behandelt und fordern die Behörden auf, alle Veranstaltungen zu verbieten, die direkt oder indirekt von dem totalitären Regime organisiert werden.
Sie finden es ungerecht, dass die Schweiz indirekt dazu beiträgt, solche Veranstaltungen zu unterstützen.
Einige Demonstranten gehen zu Gewalt über, was sicherlich eine sehr problematische Methode ist. Aber sie fühlen sich vernachlässigt. Zur Erinnerung: Diese Menschen haben gefährliche Grenzen überquert, um hier Asyl zu beantragen. Sie finden es ungerecht, dass die Schweiz indirekt dazu beiträgt, solche genehmigten Veranstaltungen zu unterstützen.
Das Gespräch führte Leonard Flach.