Marco Chiesa traut Doppelbürgerinnen und Doppelbürgern nicht über den Weg – jedenfalls nicht in wichtigen politischen Funktionen. Darum hat der SVP-Präsident die parlamentarische Initiative «Transparenz bei der Bekanntgabe der Staatsangehörigkeiten» verfasst.
Wird man ins Parlament gewählt, soll man künftig alle weiteren Staatsangehörigkeiten deklarieren müssen. Diese würden dann auf Parlament.ch publiziert.
«Fremdenfeindlich motiviert»
«Es geht darum, sämtliche Interessensbindungen offenzulegen», sagt Chiesa. Die Forderung kommt bei linken Parlamentarierinnen und Parlamentariern schlecht an; gerade bei Doppelbürgern. «Die Absicht hinter dem Vorstoss ist, Menschen mit zwei Nationalitäten zu diskreditieren und an den Pranger zu stellen», sagt Jon Pult (SP/GR), selber Nationalrat mit zwei Nationalitäten.
«Jedes Mal, wenn die SVP nicht mit mir einverstanden ist, kommt der Vorwurf, ich mache ja gar nicht Politik für die Schweiz – was natürlicher totaler Habakuk ist.» Judith Bellaïche von den Grünliberalen, selber im Besitz eines französischen Passes, nennt den Vorstoss «klar fremdenfeindlich motiviert».
Altes Anliegen neu aufgewärmt
Schon in früheren Jahren war die SVP mehrfach mit ähnlichen Anliegen gescheitert. 2017 hatte die Bundesratswahl das Thema aufkochen lassen. Mit Ignazio Cassis und Pierre Maudet kandidierten gleich zwei Doppelbürger. Maudet ist auch französischer Staatsbürger, Cassis hatte die italienische Staatsbürgerschaft von seinem Vater geerbt.
Auf Druck der SVP gab er diese aber anderthalb Monate vor der Wahl freiwillig ab, wohl um seine Wahlchancen zu erhöhen. Kurz darauf forderte Chiesa in einem Vorstoss, dass Mitglieder des Bundesrats generell keine zweite Staatsangehörigkeit haben dürften – das Vorhaben fand im Parlament aber keine Mehrheit.
Lorenzo Quadri (LdT) forderte, dass Politikerinnen und Politiker den zweiten Pass abgeben müssen, wenn sie ins Parlament gewählt werden. Das Vorhaben wurde aber im Nationalrat abgeschmettert.
Doppelbürger auch bei der SVP
Der jetzige Vorstoss ist also quasi die Mindestforderung der SVP. Doppelbürger und -bürgerinnen im Parlament sollen sich wenigstens outen müssen. Dabei hat die SVP mehrere Volksvertreter mit zweiter Staatsbürgerschaft.
So hat der Genfer Nationalrat Yves Nidegger seine französische Staatsbürgerschaft geerbt, Jean-Luc Addor und Alfred Heer haben jene von Italien, und Yvette Estermann hat ihre slowakischen Wurzeln nie verhehlt. «Ich finde die Deklarationspflicht eine gute Idee», sagt sie, «schliesslich gehört das zu den Interessensbindungen».
Jeder fünfte hat zweiten Pass
Laut Bundesamt für Statistik leben in der Schweiz 999'000 Personen mit zwei Staatsbürgerschaften, dies sind 19 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung über 15 Jahren. Dieser Fünftel der Bevölkerung müsse ebenfalls angemessen im Parlament vertreten sein, findet der Basler SP-Politiker Mustafa Atici.
Er besitzt auch die türkische Staatsbürgerschaft und betreibt gezielt Politik für Doppelbürgerinnen und -bürger. «Für die Integration ist es enorm wichtig, dass die Leute den Schweizer Pass erwerben. Wir wollen ja, dass die Leute sich auf allen Ebenen beteiligen und mitmachen», sagt Atici. «Ihnen dann zu unterstellen, dass sie der Schweiz gegenüber illoyal seien, finde ich daneben.»